29.11.2019 – Kategorie: Handel
3D-Visualisierung: Warum sie im Online-Handel unerlässlich ist
Wie wirken Einrichtungsgegenstände wohl im eigenen Zuhause? Um diese Frage zu beantworten, setzt der Online-Handel zunehmend auf 3D-Visualisierung.
Wie wirken Einrichtungsgegenstände wohl im eigenen Zuhause? Da ist bisher viel Vorstellungsvermögen gefragt. Deshalb stellt die 3D-Visualisierung von Online-Angeboten mit 360-Grad-Ansichten oder auch Augmented-Reality-Technologie für die erweiterte Realität einen bahnbrechenden Wendepunkt dar.
Handel vollzieht sich ein tief greifender Wandel – das ist ein offenes Geheimnis. Jeder Besuch in einem einst florierenden Einkaufszentrum, bei dem die Ankergeschäfte schneller verschwinden, als man „Sonderangebot“ sagen kann, ist ein Fingerzeig auf den Umbruch. Natürlich wird der stationäre Handel nicht komplett verdrängt. Letztlich lässt sich der direkte Produktkontakt mit der Möglichkeit zum Anfassen und Anprobieren vor dem Kauf durch nichts ersetzen. Und doch: Die Modelle und die Mischung verändern sich. Die Zukunft des Einzelhandels besteht aus einer Welt der harmonischen Koexistenz von realen und virtuellen Einkaufserlebnissen. Von Dalia Lasaite
Besonders gilt diese Aussage für die Bereiche Möbel und Wohndekoration, Haushaltsgeräte, Spielzeug und Mode. Betrachten wir das Beispiel Möbel: Möbelstücke sind typischerweise groß, teuer und maßgeblich geprägt durch Design und Marke. Bis jetzt verlässt man sich bei der Frage, wie Einrichtungsgegenstände wohl im eigenen Zuhause wirken würden, vor allem auf sein Vorstellungsvermögen. Deshalb stellen dreidimensionale Online-Angebote wie 360-Grad-Ansichten oder auch Augmented-Reality-Technologie für die erweiterte Realität einen bahnbrechenden Wendepunkt dar. Im Geschäftsbericht 2018 des US-amerikanischen E-Commerce-Versandhauses Wayfair wird festgehalten, dass Kunden sich das Einkaufserlebnis für ihr Zuhause als einfaches Vergnügen wünschen, ohne das damit aktuell so oft verbundene Unbehagen. Zu einem solchen Einkaufserlebnis gehören laut Wayfair umfangreiche Inhalte (etwa schöne Bilder, Kundenbewertungen und 3D-Darstellungen im Raum).
Tatsächlich bilden Möbel und Haushaltsgüter die (mit 18,2 Prozent) am schnellsten wachsende Kategorie im E-Commerce.
Sieht man sich ein Sofa, einen Stuhl oder Teppich im Geschäft an (oder auch online als 2D-Darstellung), ist nicht genau klar, wie das Stück im eigenen Wohnzimmer wirken würde – man muss letztlich raten. Nach der Lieferung wird dann womöglich klar, dass es nicht passt. Die Fehleinschätzung ist sowohl für den Kunden als auch für den Händler kostspielig. Daher verwundert es nicht, dass Studien zufolge 90 Prozent der Verbraucher zunächst online einen Blick auf Möbel werfen, bevor sie sich auf den Weg ins Geschäft machen.
3D-Modellierung als Basis für die 3D-Visualisierung
Grundelement jeder 3D-Visualisierung für den Handel ist ein fotorealistisches 3D-Modell. Wenn Sie sich mit dem Zeit- und Kostenaufwand einer 3D-Modellierung in letzter Zeit nicht beschäftigt haben, werden Sie wahrscheinlich angenehm überrascht sein. Der Zeitaufwand für die Anfertigung eines 3D-Modells von einem Produkt (wie einem Sofa, einem Kühlschrank, einer Handtasche usw.) hat sich durch verschiedene Faktoren verringert. Einer davon ist die recht neue Verfügbarkeit von Tools wie Substance Painter, mit denen PBR-3D-Modelle, die für die erweiterte Realität erforderlich sind, erheblich schneller fertig sind. Ein weiterer Faktor ist das Aufkommen web-basierter Marktplatzlösungen, über die talentierte 3D-Modell-Designer aus aller Welt beauftragt werden können – dadurch sinken die Kosten, und es wird möglich, mehrere Produkte gleichzeitig in 3D modellieren zu lassen.
Um ein 3D-Modell anfertigen zu lassen, müssen Sie in der Regel lediglich einige 2D-Produktbilder aus unterschiedlichen Blickwinkeln bereitstellen und die Produktabmessungen angeben. Für die Produktbilder sind mit einem Smartphone aufgenommene Fotos ausreichend.
Augmented Reality als neue Realität
Die erweiterte Realität (auch als Augmented Reality oder AR bezeichnet), mit der 3D-Modelle in realen Umgebungen platziert werden, hat das Potenzial, den Einzelhandel grundlegend zu verändern. AR ermöglicht es Käufern, bevor sie auf „Jetzt kaufen“ klicken oder ein Ladengeschäft besuchen, per Smartphone oder Tablet genau zu erfahren, wie Produkte dreidimensional in ihrem Zuhause aussehen werden. Man erhält eine Rundum-Ansicht der Produkte und kann vor der Positionierung alles aus jeder Perspektive sehen.
Was macht die erweiterte Realität so attraktiv? In einer Studie wird auf die „Situated Cognition“, also die situierte Kognition verwiesen, bei der eine realistischere Kundenkommunikation dadurch entsteht, dass „… Informationen über Produkte und Dienstleistungen in Echtzeit in den unmittelbaren Entscheidungskontext integriert (eingebettet) werden, Informationen eine physische Interaktion mit einem Produkt oder einer Dienstleistung ermöglichen (also verkörpert – embodied – sind) und Käufer sich (erweitert) mit anderen Kunden austauschen können“.
Die Vorteile der erweiterten Realität sind real und überzeugend. Der erste ist die höhere Konversionsrate. Online-Shopper, die mit einem Produkt interagieren können, sind sich ihrer Entscheidung sicherer. Dadurch steigt die Kaufwahrscheinlichkeit. Denken Sie nur daran, wie es ist, wenn Sie eine Uhr an der Wand sehen, statt nur 2D-Bilder einer Uhr zu betrachten. Das Aufbauen einer emotionalen Verbindung zum Produkt ist der Schlüssel dafür, den Kunden von der Erwägung zur Entscheidung zu bringen. (Emotionen könnten auch gut für das vierte E im Situated-Cognition-Modell stehen.)
Damit kommen wir zum nächsten großen Vorteil: Weniger Retouren. Schätzungen des US-Einzelhandelsverbands NRF (National Retail Federation) zufolge wurden 2018 Waren im Wert von 369 Milliarden US-Dollar an Einzelhändler zurückgegeben. Der eigentliche Vorgang der Retoure macht dabei nur einen Teil der Kosten aus. Hinzu kommen höhere Personalkosten, weniger verfügbares Inventar sowie eine potenziell negative Wahrnehmung. Erste Rückmeldungen von Einzelhandelsunternehmen wie Macy’s weisen darauf hin, dass bei Kunden, die Produkte vor dem Kauf erleben können, die Wahrscheinlichkeit einer Unzufriedenheit nach der Lieferung geringer ist.
Der dritte große Vorteil ist die Interaktionsdauer: Laut Statista verbrachten Besucher mit Mobilgeräten im ersten Quartal 2019 durchschnittlich vier Minuten auf Geschäftswebsites, Besucher mit Tablet-Computern durchschnittlich fünf Minuten. Erweiterte Realität kann diese Werte verdreifachen. Vor einigen Jahren führte die Discount-Möbelkette Jerome’s Furniture eine Augmented-Reality-App ein. Die durchschnittliche Dauer eines Website-Besuchs stieg dadurch von vier auf fünfzehn Minuten, denn die App-Nutzer probierten unterschiedliche Sofas für ihr Wohnzimmer aus.
Fotorealistische Lifestyle-Szenen als Foto oder 3D-Modell
Möbel werden oft im Rahmen von Lifestyle-Szenen präsentiert, um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie die Produkte bei den Kunden zu Hause aussehen könnten. Solche Szenen im Innen- und Außenbereich können auf zweierlei Weise entstehen: durch klassische Fotografie oder 3D-Visualisierung.
Klassische Fotografie
Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Produkt – beispielsweise ein Sofa – in einem normalen Rahmen präsentieren, etwa in einem Wohnzimmer. Wenn Sie dabei auf klassische Fotografie setzen, ist dies, vereinfacht beschrieben, das Verfahren:
- Sie engagieren eine Werbeagentur oder ein Designbüro.
- Die Werbeagentur bzw. das Designbüro holt Angebote von Fotografen ein, wobei Faktoren wie Tagessatz, Fotoverwendung, Stylisten, Beleuchter, Assistenten und Catering zu berücksichtigen sind.
- Ein Fotograf und ein Schauplatz für die Aufnahmen werden ausgewählt.
- Das Sofa und begleitende Wohndekorprodukte werden an den Ort des Fotoshootings gebracht und für die Aufnahmen arrangiert.
- Die Szene wird fotografiert, und Fotos werden zur Evaluierung an den Kunden übermittelt.
- Der Fotograf und/oder Art Director retuschieren die Fotos mithilfe von Photoshop und anderen Softwareprogrammen; gegebenenfalls erfolgt auch eine Bildbearbeitung.
Als Kosten für die Erfassung einer Szene mit klassischer Fotografie müssen Sie mit mindestens einigen Tausend Euro rechnen.
3D-Visualisierung
Mit sogenannten High-Poly-3D-Modellen, die eine hohe Polygonzahl aufweisen, entstehen fotorealistische Lifestyle-Szenen. Jedes 3D-Modell basiert auf 2D-Fotos (manchmal ergänzt durch CAD-Dateien) und den grundlegenden Abmessungen. Der bekannte IKEA-Druckkatalog setzt sich fast komplett aus 3D-Modellen zusammen, die mit 3ds Max und V-Ray erstellt wurden. Martin Enthed, IT-Manager bei IKEA, erklärt den Hintergrund: „Die Renderings müssen für alles Mögliche einsetzbar sein – wenn es nötig ist, drucken wir die Motive groß auf Wände in den Geschäften. Der Großteil des Materials kommt vielleicht ausschließlich auf der Website zum Einsatz, aber alle Elemente können mit sehr hoher Auflösung gedruckt werden.“
Das Erstellen eines 3D-Modells oder -Renderings einer Szene dergestalt, dass kein Unterschied zu einer Fotografie erkennbar ist, dauert je nach Komplexität in der Regel rund zwei Wochen.
Vorteile der 3D-Visualisierung gegenüber klassischer Fotografie
Einige der Vorteile, die 3D-Visualisierung im Vergleich zu klassischer Fotografie bietet:
Kosten
Im Allgemeinen ist der Preis einer 3D-Visualisierung für eine Szene im Vergleich zur Fotografie verschwindend gering.
Flexibilität
Ist die Szene einmal dreidimensional angelegt, lassen sich schnell und kostengünstig Änderungen daran vornehmen. Farbe, Stoff und Struktur eines Produkts sind ebenso wie die Konfiguration binnen weniger Minuten veränderbar, sodass auch eine umfassende Produktpalette leicht zu präsentieren ist.
Wiederverwendbarkeit
Möbelstücke, Lampen, Bodenbeläge und ähnliche Elemente einer Szene können problemlos in anderen Szenen erneut verwendet werden. Wenn die Produkte einmal in 3D modelliert und gerendert wurden, besteht also die Möglichkeit, sie in ganz anderen Szenen in unterschiedlichen Winkeln und Farben zu zeigen, sodass vielfältige Themen oder Märkte abgedeckt werden.
Überzeugender Nutzen von 3D- und AR-Technologie
Das Fazit: Die meisten Verbraucher suchen sich neue Möbel, Kleidungsstücke und Geräte zuerst online aus, und Omnichannel-Shopping bietet mehr Möglichkeiten – eine dreidimensionale Produktvisualisierung ist damit ein absolutes Muss. Der Kosten- und Zeitaufwand des Erstellens attraktiver Produktbilder sinkt deutlich, und das entstandene Material kann für verschiedene Marketing- und Vertriebszwecke umfunktioniert werden. Nicht zuletzt wird damit ein neuer Kundenservice erschlossen, mit dem Sie nicht nur Ihren Umsatz steigern, sondern auch die Retourenquote deutlich senken können, weil die Kunden zufriedener sind und Ihrer Marke treu bleiben. (anm)
Die Autorin, Dalia Lasaite, ist Mitgründerin und CEO von CGTrader, einem führenden Anbieter von 3D-Visualisierungslösungen für den Einzelhandel.
Weitere Informationen: http://www.cgtrader.com/enterprise
Erfahren Sie hier mehr über die virtuelle Anprobe im Online-Handel.
Lesen Sie auch: „Forschungsgruppe für 3D-Commerce-Standards und -Leitlinien“.
Teilen Sie die Meldung „3D-Visualisierung: Warum sie im Online-Handel unerlässlich ist“ mit Ihren Kontakten:
Zugehörige Themen:
Visualisierung & VR