Fadenwürmer in der Virtuellen Realität
Mit neuartiger optischer Ausrüstung haben 11 Wissenschaftler an der University of Oregon Fadenwürmer (Caenorhabditis elegans) in eine virtuelle Welt versetzt und dabei ihr Verhalten und die Aktivität ihres Nervensystems überwacht. Dabei haben die Wissenschaftler überraschende Erkenntnisse über die Arbeitsweise des Nervensystems gewonnen, während sich der Wurm fortbewegt. Das neue Tracking-System – entwickelt in Zusammenarbeit mit Applied Scientific Instrumentation in Oregon – soll weltweit Neurowissenschaftlern helfen, die in ihren Studien andere kleine Modellorganismen wie Fruchtfliegen oder Zebrafische untersuchen, sagt Shawn R. Lockery, Professor der Biologie und Direktor des Institute of Neuroscience an der University of Oregon. Sie sollen auf diese Weise noch besser verstehen, wie das Zentralnervensystem mit dem Verhalten verbunden ist. In einem Paper im Online Journal PLoS ONE, eines Titels der Public Library of Science, zeigen die Forscher im Detail, wie das mit zwei Kameras ausgestattete Tool funktioniert und wie sie es in Experimenten mit sich frei bewegenden Fadenwürmern genutzt haben. Die Wissenschaftler unter der Leitung von Serge Faumont fanden heraus, dass bestimmte Neuronen aktiv bleiben, wenn sich die Würmer vorwärts und rückwärts bewegen. Die Theorie war, dass einige Neuronen bei der Vorwärtsbewegung aktiv sind und dann abgeschaltet werden, während dagegen andere Neuronen bei der Rückwärtsbewegung aktiviert werden. Mit der Grundlagenforschung können die Wissenschaftler Verbindungen zwischen Gehirn und Verhalten, sowie die Art und Weise, wie neuronale Aktivität organisiert sein könnte und wie genetische Veränderungen die Verbindungen beeinflussen könnten, untersuchen. „Wir wollen die physiologische Basis des Denkens, speziell des Bewusstseins, verstehen“, sagt Lockery. „Aber uns fehlt der direkte Zugang zu den Gedanken einer anderen Person oder eines Tieres. Der einzige Zugang, der uns offensteht, ist das Verhalten.“ Zwischen Fadenwürmern und Menschen besteht genetisch gesehen eine gewisse Verwandtschaft. Faumont erklärt: „60 Prozent des Genoms von C-elegans ist auch beim Menschen vorhanden.“ „Untersuchungen wie diese mit einem Fadenwurm, der nur über 302 Neuronen und rund 5’000 Synapsen verfügt, sind wichtig, weil die Biologen wiederholt entdeckt haben, dass die Evolution konservativ ist, und dass es da sehr starke Beziehungen zwischen einfachen Organismen und Menschen auf der Ebene der Moleküle und Mechanismen gibt, auch was das Nervensystem betrifft.“ Einfache Organismen zu untersuchen erlaube es den Wissenschaftlern, das Gehirn möglicherweise vollständig zu begreifen, wohingegen das menschliche Gehirn niemals vollständig verstanden werden könne. Die Apparatur ermöglicht es den Fadenwürmern, die extra mit fluoreszierenden Neuronen herangezüchtet wurden, sich frei und natürlich auf einer schmierigen Oberfläche zu bewegen. Sie werden dabei von Kameras beobachtet, die die Tiere immer im zentralen Fokus haben. Alle Aktivitäten des Nervensystems und die Bewegungen lassen sich aufzeichnen. Das Zielobjekt immer in der Mitte unter konstanter Beobachtung zu halten sei bisher ein Problem gewesen. Das Mikroskop, das von Lockery’s Labor und ASI entwickelt wurde, behält die fluoreszierenden Neuronen der Fadenwürmer zentral im Blick, wenn sich die Tiere mit Geschwindigkeiten von bis zu einem halben Millimeter pro Sekunde fortbewegen. Zwei Spezialkameras sorgen, basierend auf ASI’s Phototrack System, für synchronisierte Ansichten und eine Aufzeichnung, die simultan neuronale Aktivität und Verhalten erfasst. Im Virtual-Reality-Experiment des Teams wurden die Fadenwürmer in eine Umgebung versetzt, die mit blauem Laser eine Abwehrreaktion der Neuronen auslöst, die das Tier zurückweichen oder umkehren lässt. Ohne den Laser würden sich die Tiere frei bewegen. „Das Experiment erbringt den Beweis, dass hoch auflösende virtuelle Umgebungen erschaffen werden können, um die neuronale Steuerung des Verhaltens bei frei kriechenden Organismen zu erforschen“, heißt es. Die neun Co-Autoren neben Faumont und Lockery sind: Gary Rondeau, ASI Technical Director; UO doctoral students Tod R. Thiele and Kathryn E. McCormick; UO undergraduate Kristy J. Lawton (now a graduate student at Cornell University); Matthew Sottile of Galois Inc., in Portland, Ore.; Oliver Griesbeck vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried; Ellie S. Heckscher und Chris Q. Doe, Howard Hughes, vom Medical Institute unterstützte Wissenschaftler an der UO; und William M. Roberts, Professor für Biologie and Mitglied des Institute of Neuroscience.
Bild: Serge Faumont, Neurowissenschaftler, schaut durch das mit zwei Kameras von ASI ausgestattete Mikroskop. Bild: University of Oregon
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