21.09.2023 – Kategorie: Konstruktion & Engineering

Ohne Holz und Karton: Virtuelles Cardboard-Engineering für einen Arbeitsplatz

virtuelles Cardboard-Engineering für ArbeitsplatzkonfigurationQuelle: Item

Planungskonzepte von morgen mit virtuellem Cardboard-Engineering: Statt auf Holz und Karton setzt Item auf Virtual Reality.

  • Schneller optimale Ergebnisse erzielen – das ist das Fazit eines Workshops zur Konstruktion eines industriellen Arbeitsplatzes mithilfe von Virtual Reality (VR). Der Workshop ist Teil eines neuen Planungskonzeptes von Item.
  • Der Experte für digitale Konstruktion konfigurierte gemeinsam mit Halocline, dem Entwickler einer Software für die Planung im virtuellen Raum, einen Arbeitsplatz für die Herstellung eines neuen Medizinproduktes des Herstellers Sanner.
  • Die Zusammenarbeit zeigt auf, welches Potenzial die Einbindung der virtuellen Welt in industrielle Planungsprozesse besitzt.
  • Denn somit lassen sich die Unzulänglichkeiten des traditionellen Cardboard-Engineering vermeiden.

Cardboard-Engineering gilt im Rahmen von Lean Production als die Methode der Wahl für eine effiziente Planung von Industriearbeitsplätzen. Diese werden aus Karton und Holz modelliert und den jeweiligen Anforderungen angepasst. So lassen sich Fertigungsabläufe am maßstabgetreuen Modell simulieren und ergonomisch optimieren. Doch um Cardboard-Engineering umsetzen zu können, braucht es viel Platz. Die Modelle entstehen im Maßstab 1:1. Denn nur so sind aussagekräftige Bewertungen zu realen Arbeitsabläufen möglich. Häufig müssen dazu größere Produktionsflächen nachgebaut werden. Einfacher, nachhaltiger und deutlich zeitsparender ist der Aufbau und die Validierung von Montagearbeitsplätzen mithilfe von Virtual Reality.

Virtuelles Cardboard-Engineering für ein konkretes Produkt

Die Sanner Gruppe mit Hauptsitz in Bensheim entwickelt Lösungen für Medizintechnik, Diagnostik, Pharma und Consumer Healthcare. Das Unternehmen ist Weltmarkführer im Bereich Trockenmittelverpackungen für die Pharma-Industrie, beschäftigt insgesamt über 600 Mitarbeiter und beliefert Kunden in mehr als 150 Ländern. Im Zuge eines CDMO Projektes (Contract Development and Manufacturing Organization) für die Medizintechnik mit einer komplexen Handmontage für die Erstserie befasste sich der Hersteller mit der Gestaltung eines idealen Montageplatzes. Ein neues Verabreichungssystem für Medikamente soll künftig effizient und in optimaler Arbeitsumgebung gefertigt werden. Dazu wandte sich Sanner an die Item Industrietechnik GmbH, Anbieter im Bereich Systembaukästen für industrielle Anwendungen und ein Spezialist im Digital Engineering.

Mit wenigen Klicks lässt sich eine virtuelle Produktionsumgebung einrichten. Bild: Item

Mit einem Konfigurator lassen sich Arbeitsplätze digital konstruieren und anpassen

Mit dem von Item entwickelten Arbeitsplatz-Konfigurator beispielsweise lassen sich Arbeitsplätze digital konstruieren und dabei optimal an die Anforderungen hinsichtlich Effizienz sowie im Prozess und an die Bedürfnisse der Mitarbeiter anpassen. Der Experte für digitale Konstruktion steht in engem Kontakt zur Halocline GmbH & Co. KG, die eine Softwarelösung zur Produktionsplanung in VR entwickelt hat. Gemeinsam hat man in einem Workshop einen neuen Arbeitsplatz für Sanner konfiguriert.

„Es ging uns dabei um die Möglichkeiten, die sich durch die Verbindung von VR mit unseren Produkten und Tools ergeben“, sagt Christian Thiel, Senior Produktmanager bei Item. „Wir können schnell und unkompliziert Konstruktionen verändern und sofort im virtuellen Raum die möglichen Auswirkungen auf Arbeitsabläufe prüfen.“ Denn virtuelles Cardboard-Engineering ist deutlich agiler als klassisches Cardboard Engineering auf der Basis sogenannter Mockups aus Holz und Karton.

Geometrien schnell und einfach erstellen

Für die Planung eines Montagearbeitsplatzes oder einer Regalkonstruktion hat Halocline perfekte Bedingungen geschaffen. „Wir haben gemeinsam mit Halocline eine Art Galerie ausgearbeitet“, erklärt Christian Thiel. „Dem Nutzer steht somit eine Bibliothek mit Anwendungsbeispielen von Item zur Verfügung. So kann er sich mit wenigen Klicks eine grundlegende Produktionsumgebung in der virtuellen Welt einrichten.“

Der Anwender kann in der Software ohne Vorkenntnisse einfache Geometrien wie zum Beispiel Boxen erstellen, entsprechende Komponenten auswählen und damit sehr schnell neue Konzepte entwerfen. Denkbar ist aber auch, zunächst mit den Item Online-Tools ein Grundkonzept zu erstellen und dieses in Halocline zu übertragen. Im Mittelpunkt des Planungskonzeptes steht dabei immer der Arbeitsprozess.

Wichtige Fragen sind: Wohin muss das Material transportiert werden? Welche einzelnen Arbeitsschritte sind durchzuführen? Wo müssen notwendige Werkzeuge positioniert werden, damit der Ablauf reibungslos funktioniert und ergonomisch ist? Darüber hinaus ist es von großer Bedeutung, die Anforderung klar zu definieren. „Man fokussiert sich in der VR ganz stark auf das Produkt und den Prozess“, erklärt Christian Thiel. „Mit den Ergebnissen aus der VR lässt sich das Konstruktionsprojekt in den Online-Tools im Detail finalisieren.“

Gemeinsamer Workshop

Der Nutzer weiß nach der Durchführung und Auswertung seiner Prozesse in der virtuellen Welt ganz genau, wo beispielsweise Kleinladungsträger (KLT) idealerweise positioniert werden sollten, damit der Greifprozess am Arbeitsplatz optimal abläuft. Der Arbeitsplatz-Konfigurator bietet dann die Möglichkeit, den Greifraum individuell zu gestalten. Zahlreiche Komponenten, beispielsweise Tablets, Schwenkarme mit Tablets oder Behälterprofile, an denen Greifschalen fixierbar sind, lassen sich an beliebigen Positionen einfügen. Durch die intuitive Drag-and-Drop-Bedienung sowie automatische Anpassungen entsteht innerhalb kürzester Zeit der fertige Montagearbeitsplatz auf der 3D-Arbeitsfläche des Tools. #

Im Fall Sanner entstanden in einem gemeinsam durchgeführten Workshop zunächst verschiedene Tischvarianten. Das Unternehmen nutzte das virtuelle Cardboard-Engineering zur Grundlagenermittlung, Konzept- und Detailplanung. Dabei lag der Fokus auf den Greifräumen am Arbeitsplatz. Denn für die Fertigung der Dosierhilfe in der Erstserie gilt es, eine Handpresse manuell zu bestücken. Nachdem dieser Arbeitsprozess in der virtuellen Welt durchgespielt wurde, passte item die Konzeption des Tisches in der Detailplanung an, um eine optimale Arbeitsumgebung zu schaffen.

In einem gemeinsamen Workshop diente das virtuelle Cardboard Engineering zur Grundlagenermittlung, Konzept- und Detailplanung. Dabei lag der Fokus auf den Greifräumen am Arbeitsplatz. Bild: Item

Aus sechs Varianten entstand der optimale Arbeitstisch

Der Workshop mit Item, Sanner und Halocline dauerte einen halben Tag. Zunächst wurden die Ziele definiert. Dann erhielt jeder Teilnehmer die Möglichkeit, die VR-Brille aufzusetzen und sich in die virtuelle Welt zu begeben.

„VR muss man erlebt haben, um Größen und Dimensionen fassen zu können“, so Christian Thiel. „Es gilt, erst einmal ein Gefühl für die virtuelle Welt zu bekommen.“ In der Konzeptplanung entstanden sechs verschiedene Varianten für den Arbeitstisch. Dazu wurden alle notwendigen Objekte und Werkzeuge für den Montageprozess in der Software hinterlegt. Hätte man die verschiedenen Modelle nach dem klassischen Cardboard Engineering in Karton und Holz abgebildet, hätte das jede Menge Material und viel Zeit gekostet.

Cardboard-Engineering

Ein Mitarbeiter von Sanner validierte den Montageprozess am virtuellen Modell der Arbeitsstation. Bild: Item

Auswertung im realen Arbeitsprozess

Mithilfe von Halocline ließen sich die unterschiedlichen Ausführungen hingegen ohne großen Aufwand konfigurieren, dann kopieren und anpassen. Anschließend erfolgte die Auswertung im realen Arbeitsprozess. So kristallisierten sich zwei Modelle heraus, die dann in VR noch einmal intensiv geprüft wurden. Ein Mitarbeiter von Sanner validierte den Montageprozess am virtuellen Modell der Arbeitsstation. Dabei zeigte sich, ob die Positionierungen von Werkzeug und KLT am finalen Arbeitsplatzmodell optimal auf den Arbeitsprozess abgestimmt waren. Anhand eines Spaghetti-Diagramms zur Visualisierung aller Arbeitsabläufe war genau nachvollziehbar, wie sich die Hand bewegt, wie sich der Mitarbeiter bewegt und wie effizient die Montageabläufe sind. Abschließend wurden nur noch wenige Details des Tisches angepasst.

Besondere Anforderungen an das Arbeitsplatzsystem

Der Arbeitsplatz ist für den Reinraum konzipiert. Für diesen sensiblen Arbeitsbereich bieten sich die item Komponenten mit ihrer glatten und geschlossenen Oberfläche an. Die modularen Systeme lassen sich schnell und einfach erweitern oder anpassen. Sie bieten somit höchste Flexibilität in der Planungs- und Umsetzungsphase. Da das zu fertigende Medizinprodukt vor elektrostatischer Entladung (ESD) geschützt werden muss, war die Einrichtung einer Electrostatic Proteced Area (EPA) notwendig. Die aus besonderen Materialien bestehende Tischplatte leitet Ladungen sicher ab und verhindert eine Beschädigung der elektrischen Bauteile.

Immer genügend Platz für die Montage-Vorgänge

Alle Komponenten halten die in der IEC 61340 geforderte Grenzen der Ableit- und Oberflächenwiderstände ein. Der Tisch ist höhenverstellbar und verfügt über mehrere Schwenkarme. Somit lässt sich der Arbeitsbereich optimal an die Körpergröße der Mitarbeitenden anpassen. Die Materialbereitstellung ist ergonomisch gestaltet. Übereinander angeordnete offene KLT ermöglichen eine direkte Sicht auf das Material. Dieses kann man komfortabel über Greifschalen entnehmen, die im vorderen Bereich direkt an den KLT montiert sind und über eine besondere Form verfügen. Damit ist manuelles Picking selbst von kleinsten Bauteilen möglich. Der Mitarbeiter kann Materialien, die er gerade nicht benötigt, zur Seite stellen. Tastatur und Bildschirm sind seitlich auf einem Tastaturhalter und Tabletarm platziert. Damit ist auf der Arbeitsfläche immer genügend Platz für die Montagevorgänge vorhanden.

Virtuelles Cardboard-Engineering hat sich bewährt

Mit der Einbindung der VR in den Planungsprozess entsteht ein Produkt, das die Kundenbedürfnisse zu 100 Prozent erfüllt. Mit der VR-Brille taucht man in eine räumliche und digitale Welt ein und kann den Arbeitsplatz wirklich „erleben“. So lässt sich dieser ideal an vorhandene Anforderungen und die eigene Körpergröße anpassen. Arbeitsabläufe werden validiert und die Arbeitsplätze auf Funktionalität sowie Ergonomie hin überprüft. Schnell lassen sich daher eventuelle Fehlkonstruktionen oder ineffiziente Arbeitsabläufe aufdecken.

Insgesamt ergeben sich nicht nur Vorteile für die Produktgestaltung, sondern den gesamten Planungsprozess. Dieser wird deutlich beschleunigt und optimiert. Die Kombination von der VR-Software Halocline mit den Online Tools von Item bietet letztlich ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Arbeitsplatzgestaltung von morgen.

Bild oben: In dem neuen Planungskonzept von item spielt Virtual Reality (VR) eine große Rolle. Gemeinsam mit dem VR-Software-Entwickler Halocline konfigurierte item einen Arbeitsplatz für die Herstellung eines neuen Medizinproduktes des Herstellers Sanner.

Weitere Informationen: https://www.item24.com/de-de

Erfahren Sie hier mehr über die mechanische Automatisierung mit Karakuri/LCA.

Lesen Sie auch: „Geometrische Konflikte im digitalen Zwilling aufspüren und beseitigen“


Teilen Sie die Meldung „Ohne Holz und Karton: Virtuelles Cardboard-Engineering für einen Arbeitsplatz“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top