12.07.2023 – Kategorie: Forschung
SIGGRAPH: Berechnungsmethoden, die über die digitale Welt hinauswachsen
Vom 6. bis 10. August findet SIGGRAPH 2023 statt. Hier finden Sie drei neuartige Berechnungsmethoden und ihr Potenzial für reale Anwendungen.
Auf der SIGGRAPH 2023 vom 6. bis 10. August 2023 stellen Forscher neuartige Berechnungslösungen vor. Somit lassen sich komplexe Herausforderungen in der physischen Welt einfach und effizient meistern.
Computergrafik und interaktiven Techniken umspannen die Bandbreite der Industrie, von Spielen und Film bis zu Biomedizin und Fertigung. Den Kern der SIGGRAPH 2023, der 50. Wiederholung einer jährlichen globalen Konferenz für die Computergrafik, bildet dabei eine Plattform zum Austausch und zur Präsentation neuartiger Lösungen, die die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und spielen, verändern — und verbessern helfen sollen.
SIGGRAPH: Über die digitale Welt hinaus
Bei den Forschungsarbeiten, die auf der Konferenz vorgestellt werden, handelt es sich um spannende neue Technologien, Ideen und Algorithmen. Sie decken alle Bereiche der Grafik und der interaktiven Techniken ab. Besonders auffällig ist in diesem Jahr: Forschungsmethoden, die über die digitale Welt hinausgehen und sich mit der Erstellung von realen Inhalten befassen.
In diesem Jahr treffen sich Informatiker, Künstler, Entwickler und Branchenexperten aus aller Welt vom 6. bis 10. August in Los Angeles zur SIGGRAPH 2023. Hier finden Sie drei neuartigen Berechnungsmethoden und ihre einzigartigen Ansätze für reale Anwendungen.
Ausgerüstet, um es passend zu machen
Der 3D-Druck befindet sich immer noch in einer Übergangsphase von der Prototyping-Technologie zur Fertigungstechnologie. Das Haupthindernis sind jedoch die Gesamtkosten des hergestellten Teils. Denn 3D-Druck-Hardware, Materialien und menschliche Arbeitskraft treiben die Kosten der Technologie in die Höhe. Das Streben nach höherer Kosteneffizienz erfordert das Drucken in Chargen. Dabei packt man die Teile dicht im Bauvolumen des 3D-Druckers, um die Anzahl der gedruckten Teile pro Charge zu maximieren. Eine der Haupteinschränkungen dabei ist die begrenzte Ausnutzung des Bauvolumens aufgrund der Rechenkomplexität des Packvorgangs.
In einer Zusammenarbeit von MIT und Inkbit, einem auf Polymerteile spezialisierten 3D-Hersteller, befassen sich die Forscher mit dem komplexen Problem der digitalen Verpackung vieler Teile in einem einzigen Behälter mit mehreren Einschränkungen. Bislang werden viele Teilemodelle virtuell in den Druckbehälter gelegt, was man als Nesting bezeichnet. Der Drucker führt den Auftrag aus, die Komponenten des gesamten Volumens zu drucken.
Das Problem bei diesem Verfahren ist, dass der Behälter nicht dicht gepackt ist. Dazu gibt es keine effiziente Methode, um zu automatisieren und sicherzustellen, dass die 3D-Drucker das maximale Volumen an Teilen in einem bestimmten Behälter drucken.
So dicht wie möglich packen
Das Forscherteam unter der Leitung von Wojciech Matusik, CTO bei Inkbit und Professor für Elektrotechnik und Informatik am MIT, hat eine neuartige Berechnungsmethode entwickelt, um den Durchsatz von 3D-Druckern zu maximieren. Dabei werden die Objekte so dicht wie möglich gepackt und Verzahnungen (zwischen vielen Teilen mit unterschiedlichen Formen und Größen) vermieden. Ihr Ansatz nutzt die Fast-Fourier-Transformation (FFT). Dieser leistungsstarke Algorithmus dient der schnellen Durchführung komplexer Signalverarbeitungsoperationen, die zuvor unmöglich oder unerschwinglich teuer waren.
In Verbindung mit der FFT gelingt die individuelle Platzierung eines 3D-Teils in einem teilweise gefüllten Bauvolumen in hohem Tempo. Die Algorithmen seien nicht nur extrem schnell, so Matusik. Sie können jetzt vielmehr auch Druckvolumina mit viel höheren Dichten (40 % oder mehr) erreichen. Die höhere Druckeffizienz führe zu niedrigeren Kosten für die hergestellten Teile.
Der Hauptautor Qiaodong Cui wird die neue Arbeit auf der SIGGRAPH 2023 vorstellen. Zum Team gehören auch Victor Rong vom MIT und Desai Chen, Forschungsingenieur bei Inkbit. Besuchen Sie die Website des Teams, um die vollständige Arbeit und das Video zu sehen.
Die raffinierte Strickmaschine
Während die Technik des Strickens automatisiert wurde, kämpfen die Systeme immer noch mit der Fähigkeit, all das zu unterstützen, was eine Strickmaschine herstellen kann, sowie genau das zu erzeugen, was ein Benutzer wünscht. Bis heute, so die Forscher, gebe es kein solches System, das die Korrektheit für den gesamten Bereich der Maschinenstrickprogramme garantiere.
Ein institutionenübergreifendes Team von Informatikern der Carnegie Mellon University, des MIT und der University of Washington hat ein neuartiges Berechnungssystem zur Optimierung von Strickaufgaben entwickelt. Ihre formale Semantik für die Low-Level Domain Specific Language, die für Strickmaschinen zum Einsatz kommt, bietet eine ausgefeilte Definition der Korrektheit auf dem exponentiell großen Raum der Strickmaschinenprogramme.
Die Forscher wandten die Knotentheorie an, um ihren neuen Rahmen zu entwickeln. Sie befassten sich mit den Schlüsseleigenschaften, die Menschen beim Stricken wichtig sind und die andererseits bestehende Konzepte der Knotentheorie nur unzureichend erfassen. Dazu entwickelten sie eine Erweiterung der Knotentheorie, die so genannten „fenced tangles“, als mathematische Grundlage für die Definition der Äquivalenz von Maschinenstrickobjekten.
Nicht nur Mützen und Pullover
Die Methode könne alles beschreiben, was eine Strickmaschine herstellen könne. Dazu gehören nicht nur die üblichen Pullover und Mützen, sondern auch dichte, geformte Strukturen, die in der Architektur nützlich sind, und Multi-Garn-Strukturen, die Farbarbeit und sanfte Betätigung ermöglichen, sagt Jenny Lin, die Hauptautorin der Arbeit und Doktorandin an der Carnegie Mellon University im Labor von James McCann, Assistenzprofessor für Robotik an der Carnegie Mellon University und ein weiterer Autor der Arbeit.
Das sei wichtig, denn wenn man differenziertere Systeme für die Erstellung komplizierterer Strickmaschinenprogramme entwickeln, wolle, könne man jetzt immer die Frage beantworten, ob zwei maschinengestrickte Objekte – das gewünschte Objekt und das Objekt, das das Programm erzeugt – wirklich gleich sind.
Grundlegendes Berechnungswerkzeug
Zum Beweis des Konzepts hat das Team ein grundlegendes Berechnungswerkzeug für die Anwendung von Programmumschreibungen implementiert. Dieser Ansatz könnte zur Charakterisierung des Maschinenstrickens auf das Handstricken ausgeweitet werden, das als Herstellungstechnik sowohl flexibler als auch variabler ist.
Das Team hinter „fenced tangles“ umfasst auch Vidya Narayanan, angewandte Wissenschaftlerin bei Amazon, die von James McCann bei Carnegie beraten wurde, Yuka Ikarashi, Doktorandin am MIT Computer Science & Artificial Intelligence Laboratory, Jonathan Ragan-Kelley vom MIT Computer Science & Artificial Intelligence Laboratory und Gilbert Bernstein, Assistenzprofessor für Informatik und Ingenieurwesen an der University of Washington, und sie werden ihre Arbeit auf der SIGGRAPH 2023 vorstellen. Das Papier und die Teamseite sind hier zu finden.
Die Mechanik von Kettenhemden
Mittelalterliche Kettenhemden, kleine Metallringe, die in einem Muster miteinander verbunden sind, um ein Netz zu bilden, wurden seit Tausenden von Jahren als Schutzausrüstung für Soldaten im Kampf verwendet.
Ein internationales Forscherteam der ETH Zürich in der Schweiz und der Université de Montréal in Kanada hat sich von mittelalterlichen Kettenhemden inspirieren lassen. Diese Strukturen hat das Team auf das Konzept der diskreten ineinandergreifenden Materialien (DIM) verallgemeinert.
Diese Materialien besitzen eine bemerkenswerte Flexibilität. Diese ermögliche es ihnen, sich an die erforderlichen Formen anzupassen. Gleichzeitig jedoch zeigen sie eine beeindruckende Festigkeit jenseits eines bestimmten Verformungsbereichs, so Pengbin Tang, Hauptautorin der Forschungsarbeit und Doktorandin, die von Bernhard Thomaszewski, einem leitenden Wissenschaftler an der ETH Zürich und außerordentlichen Professor an der Université de Montréal, betreut wird.
Bemerkenswerte Flexibilität
Stelian Coros, Mitarbeiter und Leiter des Computational Robotics Lab (CRL) an der ETH Zürich ist sich sicher, dass diese einzigartigen Eigenschaften DIM attraktiv für die Robotik, Orthesen, Sportbekleidung und viele andere Anwendungsbereiche machen.
Die Forschenden haben eine Methode zur rechnerischen Modellierung, mechanischen Charakterisierung und Simulation dieser 3D-gedruckten Kettenhemden aus quasi-steifen, ineinander greifenden Elementen (die Verbindung von Ringen oder Gliedern in Kettenhemden-Materialien) entwickelt.
Herausforderung: genaue Darstellung der Verformungsgrenzen
Eine zentrale Herausforderung, was die neue Methode betrifft, ist die genaue Darstellung der Verformungsgrenzen, die das quasi-steife Gewebe aufweist, wenn es sich biegt und faltet und verschiedene Formen annimmt. Im Gegensatz zu herkömmlichen elastischen Materialien wird die Mechanik von DIM durch Kontakte zwischen einzelnen Elementen bestimmt. Ihre besondere Struktur führt zu extrem hohen Kontrasten bei der Verformungsbeständigkeit. Um die Verformungsgrenzen eines gegebenen DIM zu ermitteln, haben die Forscher einen rechnerischen Ansatz entwickelt. Dieser umfasst Tausende von virtuellen Verformungstests im gesamten Verformungsraum.
Anwendung im Bekleidungsdesign
Die neuartige Methode bietet einen intuitiven sowie systematischen Weg zur makromechanischen Charakterisierung. Er kann die Verwendung von DIM für das Bekleidungsdesign vorantreiben, bemerken die Forscher. Ihre Analyse konzentrierte sich weitgehend auf die kinematische Bewegung und berücksichtigt folglich weder Reibung noch elastische Verformungen in der Struktur. In zukünftigen Arbeiten könnte eine Erweiterung ihres Makromodells darüber hinaus die interne Reibung berücksichtigen. Somit ließen sich Szenarien simulieren, in denen Reibung vorherrscht. Geometrische Details könnte man zudem auf der Ebene der Elemente untersuchen, wichtig möglicherweise für zusätzliche Anwendungen.
Pengbin Tang freut sich darauf, diese Arbeit auf der SIGGRAPH 2023 zu präsentieren. Sehen Sie sich das Papier und das Video auf der Teamseite an.
Jedes Jahr umfasst das Programm der SIGGRAPH Technical Papers Forschungsbereiche von Animation, Simulation und Bildgebung bis hin zu Geometrie, Modellierung, Mensch-Computer-Interaktion, Fertigung, Robotik und mehr. Hier erfahren Sie mehr über das Programm und die Möglichkeit, sich zu registrieren.
Bild oben: Beyond Chainmail: Computergestützte Modellierung von diskreten, ineinandergreifenden Materialien“ . Bild: 2023 Tang, Coros, Thomaszewski
Erfahren Sie hier mehr darüber, wie sich künstlich erzeugte Bilder entlarven lassen.
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