Antriebslösungen und Digitalisierung: Die große Expertenumfrage

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 7 min Lesedauer

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Ohne Antriebe bewegt sich in der Fertigungsindustrie nichts. Darüber hinaus eröffnet die Antriebstechnik einen optimalen Einstieg in die Digitalisierung.

(Quelle: LVDESIGN/AdobeStock)

Was die wichtigsten Herausforderungen in der Antriebstechnik sind, welche Rolle das Thema Retrofit spielt und wie sich die Energieeffizienz bei Antriebslösungen markant erhöhen lässt, erläutern uns sechs Antriebstechnik-Experten.

Smarte Antriebslösungen für den besonderen Mehrwert

Bei intelligenten Antriebslösungen kommt es auf das Zusammenspiel der Komponenten an und auf deren Kombination mit entsprechenden Services. Smart ist eine Antriebslösung insbesondere dann, wenn für Kunden ein besonderer Mehrwert entsteht. Entsprechende Lösungen verarbeiten Informationen, die von den Komponenten zur Verfügung gestellt werden. Ein moderner Getriebemotor lässt sich beispielsweise mit Sensoren ausstatten, damit der Umrichter detailliert den Energiefluss erfassen kann. Diese Daten fließen in die übergeordnete Steuerung ein. Damit kann man Bewegungen überwachen und automatisiert optimieren. Aber lassen wir nun unsere Experten zu Wort kommen.

Fragen an die Experten:

  1. Was sind aktuell die größten Herausforderungen in der Antriebstechnik?

  2. Welche Rolle spielt das Thema Retrofit in der Antriebstechnik und was müssen Unternehmen dabei beachten?

  3. Rund 50 Prozent des industriellen Energiebedarfs in der Europäischen Union entfallen auf Elektromotoren. Wie lässt sich der Energiebedarf in der Antriebstechnik nachhaltig senken?

Trends für Antriebslösungen zeitnah umsetzen

(Bild: AMKmotion)

1. Technisch wird der verkürzte Lebenszyklus von elektrischen Bauteilen zu einer Herausforderung. Das läuft gegen die Anforderungen des Anlagen- und Maschinenbaus, da die Investitionen auf mehrere Jahre angelegt sind. Hier gilt es, Trends frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
Zudem erfordert die Energiewende neue Konzepte für elektrische Antriebstechnik, um diese noch energieeffizienter zu gestalten. Als Lösungspartner und Hersteller elektrischer Antriebstechnik können wir mit innovativen Konzepten dazu beitragen. Die erforderlichen Komponenten haben wir bereits seit Jahren im Portfolio.

2. Das Thema spielt eine wichtige Rolle. Das liegt zum einen daran, dass Anlagen als Ganzes meist länger existieren als ihre einzelnen Komponenten. Zum anderen hat jede Technologie ihre Zeit, und gerade bei langfristigen Investitionsgütern ist es unerlässlich, sie regelmäßig upzudaten. Dabei leisten modulare Antriebskonzepte einen großen und wichtigen Beitrag. Mit ihnen kann der Anwender Komponenten schnell, einfach und gezielt ersetzen. So lassen sich neue Technologien leichter in bestehende Maschinenkonzepte implementieren, ohne die gesamten Antriebsachse ersetzen zu müssen.

3. Die Lösung hierfür ist zum einen eine rückspeisefähige Versorgungseinheit. Durch die Regelung des Zwischenkreises lassen sich Spannungsspitzen von Maschinen und die installierte Einspeiseleistung verringern. Sozusagen als Nebeneffekt reduzieren sich so auch die Rückwirkungen durch sinusförmige Kommutierung auf das Netz.
Zum anderen können wir auch die Wicklungen der Servomotoren anpassen – und sie so auf den von der Applikation geforderten Arbeitspunkt einstellen. Das optimiert die Energiedichte der Motoren auf den Anwendungsfall.

(Bild: Dunkermotoren)

1. Die Verwaltungsschale, das heißt, die Bereitstellung von Informationen und Modellen in einem standardisierten Format, gewinnt deutlich an Fahrt und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zum digitalen Zwilling. Dunkermotoren gestaltet hier aktiv in Gremien und Allianzen mit und stattet die Produkte zeitnah entsprechend aus.
Die Reduzierung von Risiken in den globalen Lieferketten ist ein weiterer wichtiger Aspekt. In der Antriebstechnik gibt es eine Abhängigkeit von Seltenen Erden aus Fernost, die man für Magnete benötigt. Dunker­motoren hat bereits 2020 ein Programm zur Reduzierung dieser Abhängigkeit gestartet. In diesem Jahr stellen wir mehrere BLDC-Baureihen auf Seltenerdmagnete um, die Rohstoffe aus Australien einsetzen und einen hohen Recycling-Anteil von bis zu 75 Prozent haben. Außerdem entwickelt Dunkermotoren bürstenlose Gleichstrommotoren, die komplett ohne Seltene Erden auskommen. Auf das Gesamtportfolio von Dunkermotoren bezogen, inklusive bürstenbehafteten DC-Motoren sowie Schritt- und Universalmotoren, werden bereits heute rund 80 Prozent aller Motoren ohne Seltene Erden hergestellt.

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2. Insbesondere in den letzten Jahren mussten viele Unternehmen schmerzhaft erfahren, dass Lieferanten Produkte teils recht kurzfristig und alternativlos abgekündigt haben. Dunker­motoren bietet für seine Produkte in der Regel sehr langfristige Verfügbarkeiten, und wenn Modellwechsel anstehen, wird Wert auf Rückwärtskompatibilität gelegt. Diese lässt sich beispielweise durch Adapterkabel für spätere Feldaustauschaktionen gewährleisten.

3. Viel erreichen kann man durch den Einsatz von Technologien mit hohem Wirkungsgrad, zum Beispiel Synchronmotoren anstatt Asynchronmotoren oder Planetengetriebe statt Winkelgetriebe. Aber auch durch eine auf Energieeffizienz getrimmte Auslegung des Arbeitspunktes von Motor und Getriebe lässt sich der Energiebedarf verringern.

Antriebslösungen im kompakten Design

(Bild: Halstrup-Walcher)

1. Wir nehmen einen steigenden Bedarf an kompakten Designs für einen begrenzten Bauraum wahr, bei gleichzeitig verstärkter Intelligenz der Antriebslösungen. Die Anforderungen an Leistungsdichte und Effizienz nehmen ebenfalls stetig zu. Zudem lässt sich die steigende Nutzung von Simulationsmodellen erkennen. Datenbasierte Verhaltensmodelle, auch für einzelne Maschinenkomponenten, werden benötigt, um Zeit und Kosten in der Entwicklung von Anlagen einzusparen. Damit setzen wir uns bereits intensiv auseinander.

2. Retrofitting spielt in unserem Kernsegment der Formatverstellung eine große Rolle. Es ist ein deutlicher Trend vom klassischen Handrad zu intelligenten, integrierten Antriebssystemen zu verzeichnen, um Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen zu erzielen. Zudem wird der kontinuierliche Informationsfluss über den Maschinenzustand für den Anwender wichtiger. Wir bei Halstrup-Walcher bieten unseren Kunden dafür eine vollständige Lösung, ob als standardisierte mechanische Adaption oder kundenspezifische Anpassung. Neben Funktionsbausteinen bieten wir zukünftig mittels erweiterter Sensorik und entsprechender integrierter Intelligenz die Möglichkeit, Diagnosedaten nicht nur über den Antrieb, sondern über die Maschine zu liefern.

3. Bei der automatischen Formatverstellung gilt es unter anderem, die Leistungsaufnahme im Stillstand zu reduzieren. Wir ermöglichen dies durch den Einsatz neuester, effizienter Elek­tronikkomponenten sowie mechanischer Bremssysteme. Zudem bietet Predictive Maintenance die Chance, potenzielle Störungen und ineffiziente Betriebszustände zu erkennen und zu vermeiden. Eine Wirkungsgraderhöhung lässt sich auch durch den Einsatz effizienterer Materialien und intelligenter Drehzahl-Regelungsalgorithmen erreichen, um Energieverluste zu minimieren. Dank unserer hohen Fertigungstiefe können wir diese Faktoren beim Design unserer Produkte berücksichtigen.

Fragen an die Experten:

  1. Was sind aktuell die größten Herausforderungen in der Antriebstechnik?

  2. Welche Rolle spielt das Thema Retrofit in der Antriebstechnik und was müssen Unternehmen dabei beachten?

  3. Rund 50 Prozent des industriellen Energiebedarfs in der Europäischen Union entfallen auf Elektromotoren. Wie lässt sich der Energiebedarf in der Antriebstechnik nachhaltig senken?

(Bild: Maxon Germany)

1. Zunehmende Vernetzungsmöglichkeiten und das Streben nach größerer Energieeffizienz prägen die Elektromotorenbranche. Die Hersteller müssen sich auf die Verbesserung der Motorleistung für Elektrofahrzeuge, die nahtlose Integration in vernetzte Systeme und die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz konzentrieren.

2. Die zunehmenden Vernetzungsmöglichkeiten in verschiedenen Anwendungen stellen sowohl Chancen als auch Her­ausforderungen für die Hersteller von Elektromotoren dar. Mit der zunehmenden Vernetzung müssen Elektromotoren nahtlos mit anderen Systemen wie Sensoren, Kommunikationsnetzwerken und Automatisierungsfunktionen zusammenarbeiten. Dies erfordert die Entwicklung robuster Motorsteuerungssysteme, die sich an verschiedene Anforderungen anpassen lassen und einen optimalen Betrieb in einer vernetzten Umgebung gewährleisten.
Berücksichtigt man diese Faktoren bereits bei der Entwicklung, erschließen sich für die Nachrüstung bestehender Systeme neue Möglichkeiten.

3. Das Streben nach größerer Energieeffizienz ist eine wichtige treibende Kraft in der Branche. Die Hersteller von Elektro­motoren müssen die Motoreffizienz kontinuierlich verbessern, um die Gesamtenergieeffizienz von Anwendungen zu erhöhen, die Elektromotoren verwenden. Dies beinhaltet die Optimierung der Motorkonstruktion, die Minimierung der internen Verluste und die Weiterentwicklung der Leistungselektronik. Die Erforschung von Technologien wie regenerativem Bremsen und Energierückgewinnungssystemen können einen weiteren Beitrag zur Energieeffizienz leisten.

Retrofit und Einsparpotenziale statt Neukauf

(Bild: SEW-Eurodrive)

1. Die alles überragenden Themen sind erstens die schwache Konjunktur und Auftragslage sowie zweitens die unklare Lage zu den kommenden europäischen Regularien zu Nachhaltigkeit, Carbon-Footprint und Kreislaufwirtschaft.

2. Gegenüber dem Neugeschäft führt der Retrofit ein Nischendasein, da in Altanlagen oftmals die Dokumentation des Lebenszyklus nicht ausführlich ist, der Urspungshersteller nicht mehr existiert oder der OEM kein Interesse mehr hat, die alte Technik zu modernisieren. Häufig ist man nur am Neugeschäft interessiert.
Beim Retrofit selbst ist eine ganzheitliche Betrachtung entscheidend. Nur so findet sich eine ausgewogene Balance zwischen Investionsaufwand und Nutzen. Singuläre Baugruppen oder Teile zu erneuern, führt oft zu überraschenden Folgekosten, die beim ersten Sichten unbeachtet geblieben sind.

3. Erst, wenn nicht mehr nur der Motor anhand seiner Effizienz und Effizienzklasse das alleinige Kriterium ist, lassen sich weitere Energiesparpotenziale in Betracht ziehen. Hierzu muss man den gesamten Antriebsstrang, das vorgesehene zeitliche Anlagen­management, die heutzutage möglichen Überlastbefähigungen der Komponenten und das Weglassen der Angstfaktoren in die Antriebsbestimmung einbeziehen. Elektromotoren haben bei guter Inspektion und Wartung der Verschleißteile eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten. Will man den installierten Bestand an alten, noch nicht hocheffizienten Motoren ersetzen, so muss der politische Wille eine Lebensdauergrenze in ein Gesetz schreiben. Dabei ist der Zeitwert gut abzuwägen, denn unendlich viele der über 500 Millionen laufenden Motoren in Europa zu ersetzen, ist auch aus produktionstechnischen Gründen nicht machbar.

(Bild: SPN Schwaben Präzision)

1. Digitalisierung ermöglicht heute die gezielte Entwicklung, das Testing und die Optimierung von Antriebssystemen durch Simulationstechnologien wie Mehrkörpersimulation (MKS) und Fluidsimulation. Durch die enge Kommunikation zwischen Entwicklungs- und Simulationsabteilung begegnen wir der Herausforderung der schnellen Prototypenerstellung. Auch ist die Erstellung digitaler Zwillinge für unsere Antriebslösungen entscheidend für die Nutzung von Fertigungsdaten, Prüf­daten und Betriebsdaten für den gesamten Produkt­lebenszyklus, um die Leistung und Effizienz kontinuierlich zu steigern.
Die Vernetzung von Antriebssystemen ermöglicht eine optimierte Überwachung, Wartung und Steuerung. Dies führt zu höherer Gesamteffizienz und Zuverlässigkeit unserer Antriebssysteme.

2. In der Antriebstechnik spielt Retrofit eine entscheidende Rolle. Im Bereich ‚Low-Cost‘-Getriebe liegt der Fokus verstärkt auf dem Preis. Bei SPN-Getrieben hingegen sind Design-Features integriert, die es ermöglichen, Verschleißteile auszutauschen und Getriebe für die gesamte Lebensdauer der Anlagen fit zu halten. Unternehmen sollten bedenken, dass die Nachrüstung bestehender Antriebslösungen und -systeme oft eine kosteneffiziente Möglichkeit ist, die Leistung und die Lebensdauer ihrer Maschinen zu erhöhen – ohne gleichzeitig komplett neue Systeme anschaffen zu müssen.

3. Die Identifizierung von Energieeffizienzpotenzialen in den Prozessen durch IoT und Datenanalyse ermöglicht die kontinuierliche Optimierung von Betriebszuständen. Durch die Abstimmung aller Komponenten – einschließlich Motoren, Triebteilen, Schmierstoffen und Dichtungen – minimieren wir Leistungsverluste. Innovative Materialien und gewichtsreduzierte Konstruk­tionen tragen zur Effizienzsteigerung bei. Unsere Kooperationen mit verschiedenen Forschungs­institutionen ist entscheidend, um Energieeffizienz auf allen Ebenen zu fördern.