Sand als Wärmespeicher: Simulationssoftware hilft bei der Optimierung

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 4 min Lesedauer

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Ein finnisches Start-up hat eine Technologie entwickelt, um Gebäude mit solar erzeugter und in Sand gespeicherter Wärme zu beheizen. Das Team nutzt eine Simulationssoftware, um das Design ihrer Wärmespeicher und die Verteilungssysteme zu optimieren.

(Quelle: Polar Night Energy)

Sand als Wärmespeicher? Der Klimawandel konfrontiert die Menschheit mit einer grundlegenden Frage: Wie können wir uns an kühlen Tagen warm halten, und gleichzeitig unsere Welt vor der Überhitzung schützen? Das Start-up Polar Night Energy mit Sitz in Finnland versucht darauf eine Antwort zu liefern. In der finnischen Stadt Tampere baut das Unternehmen ein System, das Gebäude mit gespeicherter Solarenergie beheizen kann. Wärmespeicher und Verteilungssystem bestehen aus einfachen Rohren, Pumpen, Ventilen – und aus Sand. „Wenn Menschen von saubererer Energie sprechen, denken sie meist an Elektrizität,“ sagt Tommi Fronen, CEO von Polar Night Energy. „Aber wir müssen die Emissionen reduzieren, die durch Heizen verursacht werden. In Finnland stammen 82 Prozent der Energie-bezogenen Emissionen aus der Beheizung von Wohngebäuden. Die wollen wir ersetzen.“

Von der Hippiekommune zum Kraftwerk

Der Geist von „Think Globally, Act Locally“, ein aus den 1960ern stammendes Mantra, lebt mit Polar Night Energy weiter. Die Erfolgsgeschichte begann mit einer Frage, die sich die Gründer Tommi Fronen und Markku Ylönen als Studenten stellten: „Ist es möglich eine energetisch autarke und kosteneffiziente Hippiekommune für Ingenieure nur mithilfe von Solarenergie zu bauen?“ Nach dem Studienabschluss wurde aus dem mit “Hippiekommune” betitelten Projekt das Unternehmen Polar Night Energy. Was also als unbeschwertes, aber ernst gemeintes Studentenprojekt begann, führte zu einem 3 MWh/100 kW Kraftwerk in Tampere, welches im Winter 20/21 den Betrieb aufgenommen hat.

(Quelle: Comsol)
(Quelle: Comsol)

Sand als Wärmespeicher: So funktioniert es

Innerhalb des Systems erhitzen elektrisch betriebene Heizelemente die Luft auf über 600°C. Die heiße Luft zirkuliert durch ein Netzwerk aus Leitungen in einem sandgefüllten Wärmespeicher. Anschließend fließt die heiße Luft aus dem Wärmespeicher in einen Wärmetauscher, wo sie Wasser erhitzt, das dann durch die Heizungssysteme von Gebäuden im Stadtteil Hiedanranta geleitet wird. Durch die Wärmespeicherkapazität des Sandes wird sichergestellt, dass die zirkulierende Luft auch dann noch heiß genug ist, um das Wasser und die Gebäude warm zu halten, wenn die Heizelemente bereits wieder abgekühlt sind.

Grenzen der wasserbasierten Wärmespeicherung

Viele konventionelle Heizungssysteme speichern und verteilen bereits Wärme, indem sie warmes Wasser zurückhalten und zirkulieren. Fronen und Ylönen kennen die Vorteile der wasserbasierten Wärmespeicherung ebenso gut, wie ihre Grenzen. „Man kann Wasser nur eine gewisse Menge Wärme zuführen, bis daraus Dampf wird,“ sagt Fronen. „Dampf kann Wärme effektiv verteilen, aber er ist nicht wirklich kosteneffektiv für die Speicherung in großem Maßstab.“

Um die Nachteile der Wärmespeicherung in Wasser zu umgehen, nutzen sie stattdessen 42.000 metrische Tonnen Sand. Nachdem die Sonne untergegangen ist, wird die im Sand gespeicherte Wärme langsam wieder an die zirkulierende Luft abgegeben. Dadurch bleibt die Luft heiß genug, um das Wasser auf einer konstanten Temperatur zu halten. „Sand hat eine viermal so hohe Energiespeicherkapazität wie Wasser,“ sagt Fronen. „Sand ist effizient, ungiftig, leicht transportierbar und billig.“

(Simulationsergebnisse, die die Temperaturänderungen in einem Sand/Luft-Wärmespeicher-Design über einen Zeitraum von 100 Stunden zeigen. Bild: Polar Night Energy/Comsol)

Zu groß für einen Prototypen

Fronen und Ylönen begannen bereits während des Studiums die Software Comsol Multi­physics zu nutzen. Noch immer ist sie ein integraler Bestandteil ihres Designprozesses. Als Beispiel nennt Fronen die Spezifikationen eines erweiterten Wärmespeichersystems, das weitere Gebäude in Tampere versorgen könnte. Das Team hat berechnet, dass, um ein Gebiet mit 35.000 Menschen mit Wärme zu versorgen, sandgefüllte Speicherzylinder benötigt würden, die 25 Meter in der Höhe und 40 Meter im Durchmesser messen. „Die ungefähre Menge des benötigten Materials zu berechnen ist einfach, weil wir wissen, wie viel Wärme wir in einem Kubikmeter Sand speichern können,“ erklärt Fronen. „Wir mussten aber auch den nötigen Raum für einen effizienten Wärmetransport zwischen dem Sand und unserem Luftzirkulationssystem ermitteln. Das ist komplizierter. Mit Comsol haben wir die verschiedenen Designs modelliert und evaluiert.“

Allein der Umfang des sandbasierten Wärmespeichersystems von Polar Night Energy macht die Simulationssoftware unverzichtbar. „Wir können unmöglich lebensgroße Prototypen bauen, um all unsere Ideen zu testen. Wir benötigen Vorhersagen aus Modellen, um so viele Fragen wie möglich zu beantworten, bevor wir die ganze Anlage installieren – und den ganzen Sand.“ sagt Fronen.

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Aus Finnland in die ganze Welt: Sand als Wärmespeicher

Seitdem das System in Tampere in Betrieb aufgenommen ist, sammelt das Team Daten, um sie mit ihren Modellen zu vergleichen. „Unsere Simulationen haben sich als sehr zutreffend herausgestellt, was ermutigend ist,“ sagt Fronen. Während das Start-up lokal Ideen entwickelt, ist es das Ziel, auch global zu handeln. Die Technologie, die Finnland in kühlen Nächten wärmt, kann auch dem Rest der Welt bessere Optionen für das Energiemanagement bieten. Bezahlbare Wärmespeicher könnten Industrien und Städten helfen, Wärme zu binden, die bisher ungenutzt bleibt. „Wir wollen diese Technologie lizensieren. Wenn Sie ein Kraftwerk betreiben, kontaktieren Sie uns bitte,“ sagt Fronen lachend. Ernster fügt er hinzu: „Wir müssen von jeder Art von Verbrennung wegkommen, selbst von Biomasse. Weil der Klimawandel so schnell voranschreitet, wollen wir unsere Ideen so schnell wie möglich verbreiten.“

Der Autor Alan Petrillo ist Content Writer bei Comsol.

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