Trends in der Antriebstechnik: Die große Expertenumfrage

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 9 min Lesedauer

Anbieter zum Thema

Ob Prozess- oder Fertigungsindustrie: Ohne Antriebe bewegt sich nichts. Darüber hinaus eröffnet die Antriebstechnik einen optimalen Einstieg in die Digitalisierung. Was derzeit die wichtigsten Trends in der Antriebstechnik sind, welche Rolle das Thema Retrofit spielt und wie sich die Energieeffizienz in der Antriebstechnik markant erhöhen lässt, erläutern uns acht Antriebstechnik-Experten.

(Quelle: scharfsinn86/AdobeStock)

Smarte Antriebslösungen umfassen den gesamten Antriebsstrang von der Energieversorgung bis zur Abtriebswelle. Dabei kommt es auf das Zusammenspiel der Komponenten an und auf deren Kombination mit entsprechenden Services. Smart ist eine Antriebslösung insbesondere dann, wenn für Kunden ein besonderer Mehrwert entsteht. Entsprechende Lösungen verarbeiten Informationen, die von den Komponenten zur Verfügung gestellt werden. Ein moderner Getriebemotor lässt sich beispielsweise mit Sensoren ausstatten, damit der Umrichter detailliert den Energiefluss erfassen kann. Diese Daten fließen in die übergeordnete Steuerung ein. Dadurch lassen sich Bewegungen überwachen und automatisiert optimieren. Aber lassen wir nun unsere acht Experten zu Wort kommen.

Die Fragen an die Experten:

  1. Was sind aktuell die wichtigsten Trends in der Antriebstechnik?

  2. Welche Rolle spielt das Thema Retrofit in der Antriebstechnik und wie sieht die Strategie Ihres Unternehmens für diesen Bereich aus?

  3. Rund 50 Prozent des industriellen Energiebedarfs in der Europäischen Union entfallen auf Elektromotoren. Wie lässt sich in den nächsten Jahren die Energieeffizienz in der Antriebstechnik markant erhöhen?

Trends in der Antriebstechnik: Mini wird ganz groß

(Bild: ACE Stoßdämpfer)

1. Wir sehen hier zum einen die Miniaturisierung. Der schon länger zu beobachtende Trend hin zu kleineren und sehr kompakten sowie schnelleren und effektiveren Antrieben setzt sich fort. Zum anderen rücken die Themen Energieverbrauch und Energieeffizienz zwangsläufig immer mehr als Trends in der Antriebstechnik in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang sind auch die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu nennen, um das Ziel einer klimaneutralen Industriegesellschaft, so schnell es geht, zu erreichen.

2. Unsere Industriestoßdämpfer lassen sich zum großen Teil generalüberholen. Dafür werden in unserer Serviceabteilung Verschleißteile wie Dichtungskomponenten, Kolbenringe oder Druckhülsen erneuert. Danach sind unsere hydraulischen Maschinenelemente, die sehr effektiv auch höchste Massenkräfte punktgenau stoppen können, neuwertig und übernehmen wieder zuverlässig das Abbremsen der Antriebsenergie für Millionen von Lastwechseln.

3. Entweder in Neukonstruktionen oder nachträglich integriert lassen sich unsere Produkte vor diesem Hintergrund ideal im indus­triellen Umfeld einsetzen. Da Produkte von ACE zum Beispiel wahlweise das Abbremsen oder die Geschwindigkeitsregulierung übernehmen, lassen sich Antriebe kleiner auslegen oder ersetzen. Industriestoßdämpfer verbrauchen keine Energie. Stromlos und autark arbeitend, wandeln sie die Antriebsenergie und die kinetische Energie in Reibung und Wärme um. Und Industriegasfedern unterstützen beim kontrollierten Heben, Senken und Halten von Massen, während hydraulische Bremszylinder als Antriebs-, Ausgleichs- oder Sicherheitselemente einsetzbar sind, deren Ein- und Ausfahrtempo präzise einstellbar ist.

(Bild: Dunkermotoren)

1. Meiner Meinung nach gibt es aktuell zwei signifikante Trends in der Antriebstechnik: Zum einen gewinnt die Bereitstellung von Informationen und Modellen in einem standardisierten Format an Bedeutung und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zum digitalen Zwilling. Dunker­motoren gestaltet diese Entwicklung aktiv in Gremien und Allianzen mit. Und zum anderen ist die Reduzierung von Risiken, resultierend aus globalen Lieferketten, ein weiterer wichtiger Aspekt, da man für benötigte Magnete von Seltenen Erden aus Fernost abhängig ist. Dunker­motoren hat bereits 2020 ein Programm zur Reduzierung dieser Abhängigkeit gestartet. Noch 2023 wollen wir mehrere BLDC-Baureihen auf Seltenerdmagnete umstellen, deren Rohstoffe aus Australien stammen und einen Recycling-Anteil von bis zu 75 Prozent aufweisen. Darüber hinaus werden bereits heute zirka 80 Prozent aller Motoren von Dunkermotoren ohne Seltene Erden in den Magneten hergestellt.

2. Insbesondere in den letzten Jahren mussten viele Unternehmen schmerzhaft erfahren, dass Lieferanten Produkte teils recht kurzfristig und alternativlos abkündigen. Dunkermotoren bietet für seine Produkte sehr langfristige Verfügbarkeiten. Im Falle eines anstehenden Modellwechsels wird ein hoher Wert auf Rückwärtskompatibilität gelegt. Diese lässt sich beispielweise durch passende Adapterkabel für einen späteren Austausch im Feld gewährleisten.

3. Durch den Einsatz von Technologien mit hohem Wirkungsgrad, zum Beispiel Synchronmotoren anstatt Asynchronmotoren oder Planetengetrieben statt Winkelgetrieben, lässt sich die Energieeffizienz von Antrieben deutlich verbessern. Aber auch eine auf Energieeffizienz getrimmte Auslegung des Arbeitspunktes von Motor und Getriebe kann markante Ergebnisse erzielen.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Retrofit und kontinuierlicher Informationsfluss

(Bild: Halstrup-Walcher)

1. Wir nehmen einen steigenden Bedarf an kompakten Designs für begrenzten Bauraum wahr, bei gleichzeitig verstärkter Intelligenz der Antriebstechnik. Die Anforderungen an Leistungsdichte und Effizienz nehmen ebenfalls stetig zu. Zudem lässt sich die steigende Nutzung von Simulationsmodellen erkennen. Datenbasierte Verhaltensmodelle, auch für einzelne Maschinenkomponenten, werden benötigt, um Zeit und Kosten in der Entwicklung von Anlagen einzusparen. Damit setzen wir uns bereits intensiv auseinander.

2. Retrofitting spielt in unserem Kernsegment der Formatverstellung eine große Rolle. Es ist ein deutlicher Trend vom klassischen Handrad zu intelligenten, integrierten Antriebssystemen zu verzeichnen, um Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen zu erzielen. Zudem wird der kontinuierliche Informationsfluss über den Maschinenzustand für den Anwender wichtiger. Wir bei Halstrup-Walcher bieten unseren Kunden dafür eine vollständige Lösung, ob als standardisierte mechanische Adaption oder kundenspezifische Anpassung. Neben Funktionsbausteinen bieten wir zukünftig mittels erweiterter Sensorik und entsprechender integrierter Intelligenz die Möglichkeit, Diagnosedaten nicht nur über den Antrieb, sondern über die Maschine zu liefern.

3. Bei der automatischen Formatverstellung gilt es unter anderem, die Leistungsaufnahme im Stillstand zu reduzieren. Wir ermöglichen dies durch den Einsatz neuester, effizienter Elektronikkomponenten sowie mechanischer Bremssysteme. Zudem bietet Predictive Maintenance die Chance, potenzielle Störungen und ineffiziente Betriebszustände zu erkennen und zu vermeiden. Eine Wirkungsgraderhöhung lässt sich auch durch den Einsatz effizienterer Materialien und intelligenter Drehzahl-Regelungsalgorithmen erreichen, um Energieverluste zu minimieren. Dank unserer hohen Fertigungstiefe können wir diese Faktoren beim Design unserer Produkte berücksichtigen.

Die Fragen an die Experten:

  1. Was sind aktuell die wichtigsten Trends in der Antriebstechnik?

  2. Welche Rolle spielt das Thema Retrofit in der Antriebstechnik und wie sieht die Strategie Ihres Unternehmens für diesen Bereich aus?

  3. Rund 50 Prozent des industriellen Energiebedarfs in der Europäischen Union entfallen auf Elektromotoren. Wie lässt sich in den nächsten Jahren die Energieeffizienz in der Antriebstechnik markant erhöhen?

(Bild: Keba Industrial Automation Germany)

1. Anhand unserer Kundenfeedbacks ergeben sich Trends wie die Reduktion des Energieverbrauchs, Kleinspannungsantriebe in der Intralogistik, dezentrale Antriebe für modulare Maschinen oder ein sicheres Stillsetzen von Maschinen im Falle eines Netzausfalls.

2. Für Keba ist das Retrofit ein schneller und wirtschaftlicher Weg zur Nutzung neuester Digitalisierungstrends. Mehrachs-Antriebe mit gemeinsamem DC-Bus nutzen direkt generatorische Energie und vermeiden so das ‚Verheizen‘ über einen Widerstand. Zusätzliche Energiespeicher im Verbund erhöhen die Netzausfallsicherheit oder ermöglichen eine Reduktion der Netzanschlussleistung. Keba bietet zudem Know-how und Lösungen für das antriebsintegrierte Condition Monitoring. Je nach Anwendung wird auch ohne zusätzliche Sensorik ein frühzeitiger Verschleiß erkannt. Das steigert die Verfügbarkeit der Maschine und die Produktivität.

3. Die Verschärfung der Energieeffizienzklassen für Motoren und der Einsatz von Umrichtern führten bereits zu erheblichen Energieeinsparungen. Weiteres Potenzial bietet der Umstieg von AC- auf DC-Netze in der Fabrikautomation. DC-Netze ermöglichen eine direkte Integration regenerativer Energiequellen und auch von Energiespeichern. Das reduziert sowohl in der Versorgung als auch bei den einzelnen DC-Teilnehmern Verluste in der Spannungswandlung. Auch Hardware lässt sich dadurch einsparen. Zudem ist der Energieaustausch im DC-Netz problemlos realisierbar. Im Rahmen der erfolgreich abgeschlossenen DC-Industrie-Forschungsprojekte wurden bereits Leitlinien für offene DC-Netze erstellt und in Pilotanlagen verifiziert. Die ODCA als ‚Nachfolge‘ wird die Technologie und das Entstehen neuer Produkte und Lösungen bei den Partnerfirmen weiter vorantreiben.

Trends in der Antriebstechnik: Energiemonitoring

(Bild: SEW-Eurodrive)

1. Hier sehe ich drei Trends in der Antriebstechnik, die sich derzeit besonders bemerkbar machen. Der erste betrifft den Bereich Nachhaltigkeit. Hier geht es konkret um die Steigerung der Energieeffizienz in Antriebs-/Steuerungskomponenten, um das Energiemonitoring zur Dokumentation und als Grundlage für Optimierungsprozesse sowie generell um die weitere Reduzierung der CO2-Emissionen. Als zweiten wichtigen Trend sehe ich eine weiter fortschreitende Automatisierung aufgrund des stetig zunehmenden Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung. Der dritte wahrnehmbare Trend ist die zunehmende Integration von intelligenten Algorithmen in Automatisierungsprodukte – bis hin zu ersten KI-Anwendungen im Analysebereich.

2. Das Thema Retrofit war schon immer eine wichtige Dienstleistung im Hause SEW und wird meiner Ansicht nach in nächster Zeit noch zunehmen. Es ist nicht immer wirtschaftlich oder technisch sinnvoll, Maschinen und Anlagen komplett neu zu erstellen. Oft reicht schon ein Retrofit, um die Technologie ökonomisch vertretbar wieder auf den aktuellen Stand zu bekommen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Schonung von Ressourcen, wenn ein Großteil der vorhandenen Installation weiter genutzt werden kann und man lediglich ausgesuchte Komponenten erneuert.

3. Das aktuell mögliche Maximum der Effizienz bei den Komponenten ist erreicht, insbesondere im Hinblick auf die Menge des eingesetzten Materials. Die optimierte Kombination von Energiesparkomponenten wird von den Herstellern seit Längerem empfohlen. Nun kommt es auf die Ausrüster und Betreiber an: Hier muss eine zeitoptimierte Nutzung nicht mehr allein auf den Aspekt Produktivität ausgerichtet werden, sondern man muss dem minimalen Energieeinsatz eine gleichwertige Rolle geben. Hierbei spielen neben effizienten Komponenten die Optimierung des Prozesses und der Automation eine wesentliche Rolle, wo aus meiner Sicht noch deutliche Einsparpotenziale liegen.

(Bild: Siemens)
(Bild: Siemens)

1. Timo Kersting: Digitalisierung und Automatisierung: Sie ermöglichen die Vernetzung von Antriebskomponenten und Datennutzung zur Prozessoptimierung. Intelligente Systeme wie Machine Learning und KI erlauben eine höhere Automatisierung und verbesserte Steuerung. Ein weiterer Trend ist Nachhaltigkeit: Die Elektrifizierung der industriellen Antriebstechnik mit hocheffizienten Motoren und Umrichtern inklusive nachhaltiger Materialien reduziert den CO2-Fußabdruck. Durch Einbindung erneuerbarer Energien im industriellen Umfeld sehen wir zudem einen deutlichen Trend hin zur DC-Technologie.

2. Franz-Peter Petz: Retrofit gewinnt zukünftig noch mehr an Bedeutung. Die digitale Anbindung von bestehenden Systemen lässt sich nur mit Upgrade und Retrofit erreichen. Typischerweise ist ein Teil der Mechanik meist langlebiger als die Leistungselek­tronik und die Antriebstechnik. Ein Retrofit ist daher aus wirtschaftlicher und Nachhaltigkeitssicht sinnvoll. Ebenso ermöglicht eine neuere Antriebstechnik deutlich bessere Lösungen in Bezug auf die Energieeffizienz. Wir wollen unseren Kunden daher auch zukünftig nachhaltige und digitalisierungsfähige Retrofit-Lösungen anbieten.

3. Timo Kersting: Der größte Hebel liegt in der Optimierung der Applikation bis hin zum Gesamtsystem, denn Elektromotoren sind heute bereits sehr effizient. Der Antriebsstrang unterstützt durch hocheffiziente Motoren und vermehrtem Einsatz von Frequenzumrichtern, inklusive Retrofit älterer Elektromotoren. Ein weiterer Hebel ist die Energieoptimierung durch intelligente Steuerungen und Automatisierung mit Hilfe von Digitalisierungslösungen durch Algorithmen und KI. Dritter wichtiger Hebel ist die Sensibilisierung der Betreiber für Energieeffizienz und Implementierung von Energierückgewinnungssystemen.

(Bild: SPN Schwaben Präzision)

1. Da die Anwendungen immer kompakter, aber dennoch robuster und leistungsfähiger werden, setzen wir verstärkt auf eine individuelle Antriebslösung für das Gesamtsystem unserer Kunden. SPN hat die Möglichkeit, auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz und auf eine technologieunabhängige Expertise zurückgreifen zu können. Mit der hohen Integration der Antriebe in beispielsweise Automations- und Robotik-Anwendungen lässt sich neben dem Bauraum auch das Gewicht einsparen, was zu einem besseren Wirkungsgrad des Gesamtsystems beiträgt.

2. SPN entwickelt kundenindividuelle Antriebs- und Getriebelösungen, die robust sind und eine hohe Lebensdauer haben. Somit interpretieren wir das Trendthema in unserem Unternehmen als Langlebigkeit unserer Produkte. Wir stehen für hohe Qualität, präzise Ausführung und verlässliche Partnerschaft über viele Jahre hinweg. Unsere Getriebe sind so ausgelegt, dass sie angepasst an die Maschine lange ihre Aufgabe erfüllen und somit keine größeren Wartungsarbeiten oder Retrofits nötig sind.

3. Wir entwickeln seit vielen Jahren kundenindividuelle Lösungen, die exakt auf die unterschiedlichsten Applikationen ausgelegt sind. Hier sehen wir immer mehr kleinere Motoren mit hohen Drehzahlen und optimalem Betriebspunkt am Markt. Wir setzen seit vielen Jahren bereits Getriebearten mit höherem Wirkungsgrad wie Planentengetriebe ein und entwickeln diese kontinuierlich auf deren Effizienz im Betrieb weiter. Zudem haben wir verschiedene Dichtungskonzepte entwickelt, die eine reduzierte Reibung bewirken. Auch dadurch lässt sich effektiv Energie einsparen.

Lesen Sie auch: Intelligente Antriebe: Die große Expertenumfrage