Nachhaltige Automatisierung in der Fertigung: Die große Expertenumfrage

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 8 min Lesedauer

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Die industrielle Automatisierung ist mit einem jährlichen Umsatzvolumen von mehr als 50 Milliarden Euro einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Aber auch diese Branche steht vor großen Herausforderungen.

(Quelle: Oleksandr/AdobeStock)

Welche das sind, wie sich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in der Automatisierung in der Fertigung abbilden lassen und mit welchen Trends wir in den nächsten Jahren rechnen können, verraten uns sieben Automatisierungs-Experten.

Die Fragen an die Experten:

  1. Was sind aktuell die größten Herausforderungen bei Ihren Kunden?

  2. Für Industrieunternehmen werden die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz immer wichtiger. Wie lassen sich die Anforderungen in der Automatisierung in der Fertigung abbilden?

  3. Welche Trends sehen Sie in der Automatisierung in den nächsten 2-3 Jahren?

Automatisierung in der Fertigung: Nachhaltigkeit im Fokus

(Bild: ACE Stoßdämpfer GmbH)

1. Kosten, Kosten, Kosten – ob für die Löhne oder für die Beschaffung von Energie. Ebenso fordert auch der Kostendruck aus dem Ausland unsere Kunden seit Jahren stark heraus. Die Unternehmen haben es heutzutage mit volatileren Absatz- und Beschaffungsmärkten zu tun als in der Vergangenheit. Deshalb evaluieren sie ihre Lieferanten kritischer als früher, wobei wir vor allem dank unserer Innovationskraft und unserer Stärken im Service weiterhin sehr gut abschneiden.

2. Unsere Antwort lautet hier: durch Produkt- und Servicequalität. Zum einen sind wir von den Vorteilen der längeren Produktlebensdauer überzeugt, um Ausfall- und Wechselzeiten drastisch zu reduzieren. Zum anderen raten wir bei Neuprojekten und auch bei der Nachrüstung in der Automatisierung immer dazu, energieeffiziente Komponenten einzusetzen. Unsere Klein- und Industriestoßdämpfer können großen Anteil daran haben, beim Verzögern oder Stoppen von Massenkräften weniger Strom oder Luft zu verbrauchen als die Bremssysteme elektronischer Antriebe oder die pneumatische Endlagendämpfung.

3. Bis 2026 und darüber hinaus stehen sicher die Nachhaltigkeit und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes stark im Fokus. Dabei liegen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sowohl Simula­tionen als auch das Bereitstellen von digitalen Zwillingen im Vorfeld von realen Konstruktionen ebenso im Trend wie der zunehmende Einsatz der künstlichen Intelligenz in allen Projektprozessen.

(Bild: Bosch Rexroth AG)

2. Eine nachhaltige Produktion berücksichtigt Faktoren wie Emissionsfreiheit und Ressourceneffizienz und muss zugleich wirtschaftlich sein. Das beeinflusst auch die Auswahlkriterien von Automatisierungslösungen und definiert sie teilweise völlig neu. Immer mehr Funktionen zum Energiesparen werden in Automati­sierungskomponenten integriert, zum Beispiel ein Smart Energy Mode in einem Servoantrieb. Dieser sorgt unter anderem dafür, dass die Energie intelligent im System gehalten wird und Lastspitzen weitestgehend vermieden werden. Umfangreiche Tools und Modelle für die Energie- und Leistungssimulation ermöglichen es, Anlagen energieeffizient auszulegen. Ein weiterer Trend im Sinne der Nachhaltigkeit ist die Wiederverwendung von wertigen Automatisierungskomponenten. Durch eine professionelle Wieder­aufarbeitung erhält beispielsweise ein gebrauchter Servomotor den Qualitätsstandard eines Neuprodukts inklusive Gewährleistung zu einem attraktiveren Preis. Vergleichbar mit ‚refurbished‘ Smart­phones gelingt es damit auch Automatisierungsanbietern wie Bosch Rexroth, noch intelligenter Rohstoffe zu schonen, die Gesamtaufwände für Recyclingprozesse zu reduzieren und ökologische Verantwortung zu übernehmen.

3. In der Automatisierung in der Fertigung wächst kontinuierlich die Bereitschaft zu mehr Offenheit – und das sowohl technologisch als auch bei der Zusammenarbeit der beteiligten Unter­nehmen. Die Zukunft liegt in digitalen Ökosystemen, die neue Formen der Vernetzung und Kollaboration sowie einen höheren Automatisierungsgrad und einfachere Arbeitsabläufe ermöglichen. Der Automatisierungsgrad in der Industrie wird weiter zunehmen – getrieben unter anderem durch das Ziel einer steigenden Produktivität bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Vor allem in einigen zukunftsträchtigen Branchen mit stark nachgefragten Produkten steigt der Automatisierungsbedarf, zum Beispiel in der Elektromobilität, Batterieproduktion, Lagerautomatisierung sowie in der Halbleiter- und Elektroindustrie. Außerdem entstehen komplett neue Felder für die Automatisierung, beispielsweise bei der (teil-)automatisierten Zubereitung von Essensportionen. Auch die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz werden, wie bereits erwähnt, weiter an Bedeutung gewinnen.

Trend: Langlebigkeit und Instandhaltung

(Bild: KEB Automation)

1. Grundsätzlich führen die branchenübergreifenden, konjunkturellen Schwankungen zu einer Verunsicherung, was die Auftragslage und Liefersituationen anbelangt. Wir bei KEB setzen daher alles daran, unsere Kunden innerhalb kurzer Lieferzeiten mit Technik für die Automatisierung in der Fertigung zu versorgen. Zugleich gilt es für Anlagen- und Maschinenbauer, den Spagat zwischen preislicher Attraktivität, Flexibilität und gleichbleibend hoher Qualität zu meistern.

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2. Von der Steuerung, über den Umrichter bis hin zu den Bremsen sind unsere Produkte von vorn­herein auf Langlebigkeit ausgelegt. Und sollten doch einmal Unregelmäßigkeiten auftreten, bietet unser Service zum Beispiel die ‚As Good as new‘-Option an, bei der Geräte nicht direkt ausgetauscht, sondern instandgesetzt werden wie neuwertig. Die Systemlösungen von KEB sind darauf abgestimmt, Energie zu sparen. Die Drive Controller regeln Maschinen präzise, und mit den Ein- und Rückspeiseeinheiten wird entstehende Energie im System sinnvoll wiederverwendet. Das spart Kosten und schont die Umwelt.

3. Die gesamte Wertschöpfungskette ist von der zunehmenden Digitalisierung geprägt. Der digitale Zwilling ist ein gutes Beispiel, der den praktischen Nutzen dieser Entwicklung greifbar macht. Denn mit ihm lassen sich Inbetriebnahmen deutlich effizienter gestalten. Zudem zeigt die neue Automatisierungsplattform NOA (Next Open Automation) von KEB, wie Anwender von der Erfassung, Visualisierung und Verarbeitung ihrer Daten profitieren und dadurch ungewollte Ausfallzeiten vermeiden können.

(Bild: Keba Industrial Automation)

1. Wir sehen großen Bedarf an Unterstützung der Kunden, was das Thema Software angeht. Viele Maschinenbauer verfügen nicht (mehr) über die notwendigen Ressourcen, um selbst Software zu entwickeln. Weiterhin stellen wir fest, dass immer mehr Kunden auf offene Systeme im Bereich Steuerungen setzen, um unabhängiger von Partnern zu werden. Und nicht zuletzt: Sehr viele Unternehmen haben großes Interesse am Thema KI. Sie wollen verstehen, wie künstliche Intelligenz ihre Prozesse unterstützen kann, beziehungsweise, wie sich Automatisierung – durch KI optimiert – beschleunigen lässt.

2. Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Wir legen Wert auf nachhaltige Beziehungen, um Lieferketten so konstant wie möglich zu gestalten und zu halten sowie im Sinne unserer Kunden zu optimieren. Im Bereich der Produkte fokussieren wir auf mehrere Themen. Ein Beispiel sind Komponenten, die energieoptimiert sind und so wenig Energie wie möglich benötigen oder die kompakte Bauweise von Komponenten, wodurch sich nachhaltig Platz sparen lässt (Beispiel KeDrive D3-AC: bis zu drei Achsen per Antrieb in kompakter Bauweise). Aber auch Energiemanagement-Systeme stehen im Fokus, zum Beispiel als Lösung, um Schwankungen/Unterbrechungen im Stromnetz zu überbücken. Zusätzlich investieren wir weiterhin in Robotik in der Automatisierung, um den Schritt hin zur digitalen Fabrik zu realisieren. Damit lässt sich dem Thema Fachkräftemangel entgegenwirken.

3. Ich sehe hier folgende Trends: künstliche Intelligenz (KI) und ihr Einsatz in der Industrie sowie IoT. Beim Internet of Things werden Anlagen und Maschinen vernetzt, um mit den generierten Daten Prozesse zu optimieren. Dazu braucht es ‚Industrielle Digitalisierung‘ für die Optimierung der Workflows, zum Beispiel Condition Monitoring.
Weitere Trends sind anwendbare und auf den Industriebereich abgestimmte Lösungen im Bereich Cybersecurity sowie offene Platt­formen für die Automatisierung. Der Kunde bestimmt, welche Module er selbst baut und pflegt und welche er zukauft.

DIe Fragen an die Experten:

  1. Was sind aktuell die größten Herausforderungen bei Ihren Kunden?

  2. Für Industrieunternehmen werden die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz immer wichtiger. Wie lassen sich die Anforderungen in der Automatisierung in der Fertigung abbilden?

  3. Welche Trends sehen Sie in der Automatisierung in den nächsten 2-3 Jahren?

Ressourceneffiziente Automatisierung in der Fertigung

(Bild: Mitsubishi Electric)

1. Unsere Kunden stehen vor Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel, der wirtschaftlichen Unsicherheit und der komplexen Umsetzung der Digitalisierung. Besonders in Deutschland sind der Datenschutz und das Datenmanagement eine zen­trale Schwierigkeit, da personenbezogene Daten die Nutzung hier einschränken. Lösungen sind gefragt, um die Anonymisierung von Daten zu ermöglichen, um den strengen Datenschutzanforderungen gerecht zu werden.

2. Industrieunternehmen integrieren Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in die Automatisierung durch IoT-Plattformen und KI für Prozessoptimierung und Datenanalyse. Dies ermöglicht eine ressourceneffiziente Produktion und reduziert Umweltauswirkungen. In unserer eigenen Produktion konnten wir beispielsweise durch den Einsatz von KI die Einarbeitungszeit um 65 Prozent, die Umrüstzeiten um 18 Prozent und die durchschnittliche Produktionszeit um 12 Prozent reduzieren.

3. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden Trends wie verstärkte KI-Integration, Time-Sensitive Networking (TSN), Cloud-Steuerung und erhöhte Cybersecurity die Automatisierung in der Fertigung prägen. Diese Entwicklungen werden die Effizienz, Vernetzung und Sicherheit von Automatisierungssystemen deutlich vorantreiben. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von Automatisierungssystemen ist der Schutz vor Cyberbedrohungen von höchster Wichtigkeit. Es ist entscheidend, bestehende Sicherheitsmaßnahmen konsequent anzuwenden. Die Sicherheit der Automatisierungssysteme wird in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle spielen, um die Integrität und Stabilität der Prozesse zu gewährleisten.

(Bild: Schneider Electric)

1. Der Fachkräftemangel, hohe Energiekosten sowie die Probleme in den Lieferketten belasten unsere Kunden. Zudem erweisen sich die digitale Transformation und das Thema Nachhaltigkeit als echte Herausforderungen für viele Unternehmen. Oft fehlt es am Know-how, das notwendig ist, um neue Technologien zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit einzuführen. Ähnliches gilt für das Thema Nachhaltigkeit. Hinzu kommt: Individuelle Kundenwünsche verlangen eine zunehmende Produktvielfalt, was wiederum besonders flexible Anlagen und Maschinen voraussetzt und gerade Maschinenbauer unter Druck setzt, entsprechende Anlagen zu liefern. Dabei stellen jedoch ­insbesondere proprietäre Systeme ein Hindernis dar.

2. Die Antwort ist einfach: Intelli­gente Automatisierung ermöglicht es, Produktionsprozesse flexibler, präziser und energieeffizienter zu gestalten, sodass zum Beispiel der Energieverbrauch optimiert und Emissionen reduziert werden. Laufen mehr Tätigkeiten automatisiert ab, senkt das zudem den Fehlerquotienten. Dies wiederum führt zu einer höheren Qualität, geringeren Ausschussraten und letztendlich zu weniger Ressourcenverbrauch.

3. Künstliche Intelligenz bietet ein enormes Potenzial für die Automatisierung – vor allem im Zusammenhang mit Robotik. Auch am digitalen Zwilling und dem Industrial Metaverse führt kein Weg vorbei. Vor allem aber wird eine herstellerunabhängige Automatisierung – gemäß IEC 61499 – weiter an Bedeutung gewinnen. Bei diesem Automatisierungsansatz sind Software und Hardware voneinander getrennt; die Software übernimmt die zentrale, steuernde Rolle. Das schafft eine ideale Grundlage, um IT und OT miteinander zu verbinden und Produktionen sowie Systeme flexibler zu gestalten.

(Bild: Siemens AG)

1. Wir bei Siemens stehen vor den gleichen Herausforderungen wie unsere Kunden: Kostendruck, schnellere Innovationszyklen und der Bedarf nach mehr Flexibilität – all das kennen wir seit langem. Hinzu kommt der Mangel an Fachkräften und eine große Nachfrage nach Lösungen für mehr Nachhaltigkeit. Unsere Stärke ist: Wir haben für all diese Herausforderungen das passende Portfolio. Das zeigen wir in unseren eigenen Werken. Und wenn Kunden in unsere Werke kommen, sagen sie: Genau das brauchen wir auch.

2. Eine nachhaltigere Industrie beginnt mit der Erhebung von Daten und deren Auswertung. Automatisierung in der Fertigung und die Daten von Sensoren aus der Automatisierung sind dabei zentrale Eckpfeiler. Viele Technologien für eine nachhaltigere Produktion sind bereits vorhanden, zum Beispiel Software für Energie- oder CO2-Emissions-Management. Aber wir müssen Technologien ständig weiterentwickeln, einfach anwendbar machen und intelligent miteinander verknüpfen. Zum Beispiel wollen wir künftig Produkte auch automatisiert reparieren. Um auf solche neuen Herausforderungen reagieren zu können, muss die Produktion hochanpassungsfähig werden. Dafür entscheidend ist, dass wir die Produktion erweitern – hin zu ganzheitlichen industriellen Betriebsabläufen mit immer mehr IT- und Software-Fähigkeiten.

3. Die Anforderungen an die Automatisierung in der Fertigung werden weiter steigen. In Zukunft müssen ganze Industrien in der Lage sein, Daten über Unternehmensgrenzen hinweg auszutauschen. Außerdem wird die künstliche Intelligenz die Automatisierungsbranche revolutionieren. Wir arbeiten mit Kunden an Pilotprojekten, um die Leistungsfähigkeit der KI zum Beispiel für die Programmierung von PLCs zu nutzen. Hier müssen wir weiterkommen – für eine Produktion, die nachhaltig ist und den Menschen im Mittelpunkt behält.