PMI-Methode optimieren: Schneller zum digitalen Zwilling

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 4 min Lesedauer

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Siemens Energy liefert Lösungen für die Energiewende. In einem Digitalisierungsschritt hat das Unternehmen die modellbasierte Definition mit PMI-Regelgenerierung sowie eine automatisierte Formtoleranz-Definition eingeführt. Hier die Ergebnisse.

(Quelle: Siemens Energy)

PMI-Methode: Um die Wende hin zur nachhaltigen Energie zu ermöglichen, braucht es innovative Lösungen für die Elektrifizierung, zur Verbesserung der Netzstabilität und zur Dekarbonisierung. Einer der Treiber der Entwicklung hin zu einer kohlenstofffreien Energieversorgung ist Siemens Energy. Das weltweit tätige Energietechnikunternehmen bietet ein breites Portfolio an Produkten, Lösungen und Dienstleistungen für die zentralisierte und verteilte Stromerzeugung, für die Wasserstoff-Elektrolyse und Herstellung von e-Fuels, die Stromübertragung und -verteilung sowie für Industrieanwendungen an. Gas- und Dampfturbinen sowie Kompressoren entwickelt das Unternehmen in Deutschland, Schweden und in den Vereinigten Staaten.

Eine nachhaltige Zukunft gestalten

Die Entwickler von Siemens Energy nutzen verschiedene Softwareprodukte aus dem Xcelerator-Portfolio, einem integrierten Portfolio an Software und Dienstleistungen von Siemens Digital Industries Software. Zu diesen gehören NX für die computergestützte Konstruktion (CAD) und Produktion (CAM), Simcenter für die Festigkeits- und Strömungssimulation und das Teamcenter-Portfolio für das Produktlebenszyklusmanagement (PLM).

Mit diesen Softwareprodukten erstellt Siemens Energy den vollständigen digitalen Zwilling von immer mehr Produkten und zieht einen digitalen roten Faden durch das gesamte Produktleben, von der Ideenfindung über die Produktion bis hin zum Betrieb. Mithilfe dieser Werkzeuge konnte Siemens Energy die Gesamtanlageneffizienz (OEE) um 31 Prozent von 65 auf 85 Prozent steigern, die Teilebearbeitungszeit um 25 bis 36 Prozent reduzieren und beinahe 26 Prozent CAx-Kostenreduktion erzielen.

Die umfassenden MBD-Fähigkeiten von NX rund um die automatische, regelbasierte PMI-Erstellung für GPS ermöglicht Unternehmen das Erstellen, Speichern und Verwalten eigener Regeln und Normen in einer Bibliothek über einen eingebauten Logik-Editor.
Die umfassenden MBD-Fähigkeiten von NX rund um die automatische, regelbasierte PMI-Erstellung für GPS ermöglicht Unternehmen das Erstellen, Speichern und Verwalten eigener Regeln und Normen in einer Bibliothek über einen eingebauten Logik-Editor.
(Quelle: Siemens Energy)

Mit Blick auf die Entwicklungsprozesse verfolgt das Unternehmen für seine verschiedenen Produktlinien unterschiedliche Ansätze. Kleinere Turbinen werden kundenspezifisch entwickelt, während Hochleistungsgas- und -dampfturbinen auftragsspezifisch konfiguriert werden. Deshalb geht das Unternehmen auf mehrere Arten mit Entwicklungsstücklisten (EBOM) um. Während manche Stücklisten unzweideutig die Konstruktion abbilden, kommen Teile, Baugruppen oder vollständige Produkte in anderen Fällen in mehreren Stücklisten vor, die Varianten und Konfigurationen repräsentieren.

PMI-Methode: Vollständige, durchgängige Fertigungsinformationen

Die Mehrzahl der Komponenten entsteht in mechanischer Bearbeitung auf Werkzeugmaschinen. Neben 3D-Modellen benötigt dies zusätzliche Geometriedaten wie Form-, Ausrichtungs-, Lage- und Rundlauftoleranzen sowie Oberflächengüte. In der Vergangenheit fanden die Fertiger diese Informationen in 2D-Zeichnungen. Falk Elsner, Leiter modellbasierte Fertigung bei Siemens Energy, erläutert: „Die Fertiger waren zwar mit diesem etablierten Verfahren bestens vertraut, dennoch läuft die Notwendigkeit, gleichzeitig ein 3D-Modell und eine Zeichnung zu handhaben, unseren Digitaliserungsanstrengungen zuwider. Wir wollen die Fertigung mit vollständigen, durchgängigen digitalen Informationen aus einer einzigen Quelle versorgen.“

Mittels NX Model Based Definition nutzt Siemens Energy in die 3D-Modelle von Komponenten und Baugruppen eingebettete Produkt- und Fertigungsinformationen statt Anmerkungen in 2D-Zeichnungen.
Mittels NX Model Based Definition nutzt Siemens Energy in die 3D-Modelle von Komponenten und Baugruppen eingebettete Produkt- und Fertigungsinformationen statt Anmerkungen in 2D-Zeichnungen.
(Quelle: Siemens Energy)

Mit PMI-Bemaßung Zeichnungen ersetzen

Anlässlich einer konstruktiven Überarbeitung eines Kompressors nutzten Konstrukteure und Fertigungstechniker erstmals in die 3D-Modelle eingebettete Produkt- und Fertigungsinformationen (PMI) und definierten Attribute wie Maße und Toleranzen, 3D-Anmerkungen und -Bemaßungen, Oberflächengüte und Materialspezifikationen. Ihr Ziel war, 2D-Zeichnungen vollständig zu ersetzen.

„Bei unseren ersten Versuchen, Zeichnungen durch die PMI-Methode zu ersetzen, überstieg der Aufwand den Nutzen“, erinnert sich Elsner, weil die Ingenieure mit PMI frühere Zeichnungseigenschaften direkt ersetzt hatten. „Um die Vorteile von PMI nutzbar zu machen, mussten wir unsere Produktdefinition umstellen“, erklärt Elsner. Eine Umfrage unter Konstruktions- und Fertigungsmitarbeitern sowie externen Partnern ergab unter anderem den starken Wunsch danach, PMI innerhalb von NX CAM zu verwenden. Denn die PMI in Verbindung mit merkmalsbasierter Zerspanung (feature-based machining; FBM) verspricht erhebliches Potenzial zur Komplexitätsreduktion, beschleunigter Codegenerierung und Qualitätsverbesserung bei NC-Programmen. Zusätzlich ermöglicht sie PLM-integrierte Freigabeverfahren für Produkte und deren Varianten.

(Bild: Siemens Energy)

Diese Anforderungen waren jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig in NX implementiert. Siemens Energy wandte sich an Siemens Digital Industries Software und der Umfang der PMI-Funktionalität in NX wurde bedeutend erweitert.

Automatische Formtolerierung

Der Umstieg auf die modellbasierte Definition (MBD) zum Erzeugen eines vollständigen digitalen Zwillings war für Siemens Energy ein wichtiger Schritt zur digitalen Transformation. Ziel war, in der Produktdefinition großer Teile und Baugruppen den üblichen Copy-and-paste-Prozess zu ersetzen. Denn mit diesem wurden Formtoleranzen und Oberflächenqualitäten oft unnötig eng spezifiziert. Dafür führte das Unternehmen die geometrische Produktspezifikation (GPS) nach ISO 14405 ein. Diese ersetzt das Hüllkurvenprinzip bei Toleranzen durch das Unabhängigkeitsprinzip.

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Eine nicht mehr verwendete deutsche Norm beschrieb mathematische Korrela­tionen zwischen Maß- und Formtoleranzen wie Rundheit, Zylindrizität, Flachheit und Parallelität planparalleler Oberflächen. Auf dieser Basis implementierte Siemens Energy eine regelbasierte, automatische Formtoleranzerstellung. Diese gewährleistet die automatische Festlegung der größtmöglichen Formtoleranz oder Richtungstoleranz für die Parallelität. Mithilfe ähnlicher Mechanismen erfolgt die automatische Ableitung und Festlegung von Anforderungen an die Oberflächengüte. Das sorgt ohne Eingriff der Konstrukteure für die optimale Korrelation zwischen Bauteilgröße, Toleranzen und Oberflächeneigenschaften.

Dies führt zu konstruktiven Optimierungen, verbesserter Produzierbarkeit und einem vorteilhaften Preis-Leistungs-Verhältnis der Produkte. Zusätzlich liefert das neue Vorgehen wertvolle Informationen für andere Bereiche wie die Qualitätssicherung.

Siemens Energy bietet ein breites Portfolio an Produkten, Lösungen und Dienstleistungen für die zentralisierte und verteilte Stromerzeugung, die Wasserstoff-Elektrolyse und Herstellung von e-Fuels, die Stromübertragung und -verteilung sowie für Industrieanwendungen.
Siemens Energy bietet ein breites Portfolio an Produkten, Lösungen und Dienstleistungen für die zentralisierte und verteilte Stromerzeugung, die Wasserstoff-Elektrolyse und Herstellung von e-Fuels, die Stromübertragung und -verteilung sowie für Industrieanwendungen.
(Quelle: Siemens Energy)

Papierlose Produktdefinition durch PMI-Methode

Mittels umfassender MBD-Fähigkeiten innerhalb von NX rund um die automatische, regelbasierte PMI-Erstellung für GPS eliminierte Siemens Energy Zeichnungen aus der Produktdefinition. „Das ermöglicht uns das Erstellen, Speichern und Verwalten unserer eigenen Regeln und Normen in einer Bibliothek über einen eingebauten Logik-Editor“, betont Elsner. Das Formulieren von Parametern zur automatischen Implementierung machte Copy-and-paste unnötig.

Die automatisch erzeugten PMI docken an der BREP-Geometrie des 3D-Modells an (BREP für Boundary Representation). So entsteht ein umfassendes GPS. Zur einfachen Nutzung in Fertigung, Qualitätssicherung oder anderen Folgeprozessen lässt sich das Ergebnis in den Datenformaten JT oder Step exportieren. Da die Verwendung der PMI-Methode bei internen wie externen Fertigern noch nicht sehr verbreitet ist, investierte Siemens Energy zur Verbesserung der Akzeptanz in ein Lieferantentraining.

Zwar kann das Formulieren der GPS-Regeln für die automatisierte PMI-Erstellung ähnlich viel Zeit beanspruchen wie traditionelle Methoden, es hilft jedoch, Fehler zu vermeiden und erleichtert das Reagieren auf veränderte Vorschriften.

Der Autor Peter Kemptner ist freier Journalist.

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