Agiles Vorgehen im Systems Engineering verspricht höhere Kundenzufriedenheit

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 5 min Lesedauer

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Unternehmen stehen vor der Herausforderung, stetig neue Geschäftsprozesse und Technologien zu etablieren, um auf die schnellen Veränderungen des Marktes eingehen zu können. Agiles Systems Engineering ist dabei das Mittel der Wahl, um weiterhin in der durch Digitalisierung getriebenen VUKA-Welt – volatil, unsicher, komplex, ambivalent – wettbewerbsfähig bleiben zu können.

(Quelle: Photon_photo/AdobeStock)

Agiles Vorgehen im Systems Engineering (SE) ermöglicht einen schnelleren Projektstart, da nicht bereits zu Beginn alle Details feststehen müssen. Der agile Ansatz erreicht außerdem eine hohe Entwicklungseffizienz, da der Überarbeitungsaufwand durch die kontinuierliche Verifikation der Arbeitsprodukte möglichst geringgehalten wird. Darüber hinaus können laufende Projekte durch ein verfeinertes Projektcontrolling unter Einsatz von agilen Metriken – wie beispielsweise Defektdichte – erfolgreich und effizient abgeschlossen werden. Eine höhere Produktqualität und ein optimierter Umgang mit Änderungen sowie ein angenehmeres Arbeitsklima sind weitere entscheidende Vorteile, um durch Agilität in der Produktentwicklung eine bessere Erfüllung der Kundenwünsche zu erlangen.

Die Anforderungen im Systems Engineering

Im Rahmen des Systems Engineering werden Anforderungen mit bewährten Methoden des Requirements Engineering identifiziert. Darauf aufbauend wird die Systemarchitektur auf den verschiedenen Systemebenen erstellt und die Nachverfolgbarkeit, die sogenannte Traceability, zwischen den Artefakten des Entwicklungsprozesses sichergestellt. Anschließend werden die disziplinspezifischen Systemkomponenten implementiert, getestet und in das System integriert. Das Systems Engineering definiert somit das ‚Was‘, wie beispielsweise die methodische Entwicklung der Fahrzeug-Architektur. Als eine häufig verwendete Methode dieses klassischen Systems Engineerings lässt sich das Wasserfallmodell nennen: Hier werden Anforderungen an das System in einer Projektphase erhoben und erst danach folgt die Umsetzung. Dabei wird das Requirements Engineering als erste Phase des Entwicklungsprozesses durchgeführt und gilt schließlich als abgeschlossen.

Agiles Vorgehen: Zu viele Schnittstellen stiften Verwirrung

Bei immer mehr miteinander vernetzten und kommunizierenden Produkten reicht der klassische SE-Ansatz nicht mehr aus. Denn durch das Internet der Dinge (IoT) kommunizieren Produkte sowohl mit ihrer Umgebung als auch mit anderen Geräten und Systemen, sodass ein Austausch der Daten zwischen den Objekten stattfinden muss. Dieses ineinandergreifende Verhalten und die zunehmende Anzahl an Schnittstellen zwischen den Einzelsystemen können schnell zu einer Unübersichtlichkeit führen. Agiles Systems Engineering soll dabei helfen, den Überblick über die Wechselbeziehungen zwischen mehreren voneinander unabhängigen Elementen zu behalten und die Zusammenarbeit zu harmonisieren.

Bei der iterativen Vorgehensweise – die kennzeichnend für die agile Produktentwicklung ist – ist zu Beginn meist nur eine grobe Idee vorhanden, die sich dann im Laufe des Projektes zunehmend konkretisiert. Im Vergleich zum klassischen Systems Engineering beschreibt die Agilität somit das ‚Wie‘: Die Arbeitsergebnisse werden kontinuierlich mit den Kunden abgeglichen, sodass die Entwicklung eines den Kundenanforderungen nicht entsprechenden Produktes möglichst vermieden wird. Requirements Engineering wird hier phasenübergreifend in den Entwicklungsprozess integriert. So erhält die Agilität in der Produktentwicklung eine große Bedeutung, da sie einen Rahmen für die Kommunikation schafft, um dem mit den zunehmenden Systemschnittstellen einhergehenden erhöhten Abstimmungsbedarf entgegenzukommen. Bei agilem Systems Engineering werden demnach agile Vorgehensweisen – wie beispielsweise Scrum – mit Methoden und Prozessen des Systems Engineering kombiniert.

Beim agilen Vorgehen erfolgt die Entwicklung in kleinen und festen Iterationen. Zunächst werden von selbstorganisierten Teams Funktionalitäten des zu entwickelnden Systems, wie beispielsweise bei einem Navigationssystem, festgelegt und priorisiert. Hier können, je nach Vorgabe des Auftraggebers, kritische Features wie etwa Sensorik als Grundlage für die Priorisierung dienen. So kann mit der Entwicklung einer ersten Version begonnen werden. Ziel ist es, so schnell wie möglich zu einem funktionsfähigen Produkt – Minimum Viable Product – zu kommen. Letzteres wird von Sprint zu Sprint durch die Berücksichtigung des Feedbacks von Stakeholdern erweitert und optimiert. Die fortlaufende Verifikation der Systemanforderungen ermöglicht es, Fehler beziehungsweise Risiken in Bezug auf neue Funktionen und Technologien frühzeitig zu identifizieren. Folglich können risikobehaftete Funktionen verworfen werden, sodass eine höhere Produktqualität erreicht werden kann.

(Bei agilem Systems Engineering wird agiles Vorgehen wie etwa Safe oder Scrum mit Methoden und Prozessen des Systems Engineering kombiniert. Dabei werden die agilen Rahmenwerke für den Einsatz im Systems Engineering angepasst. Bild: Invenio)

Feedback-Loops fördern die Zusammenarbeit

Eine weitere hilfreiche Komponente in agilen Prozessen ist die Dynamik. Da die Entwicklungszyklen im Automotive-Bereich immer kürzer werden, wird auf agiles Systems Engineering gesetzt, um den Einsatz neuester Technologien sicherzustellen. Als wichtiger Bestandteil agiler Entwicklung fördern aktive Feedback-Loops die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Wertschöpfungspyramide. Bei der Entwicklung einer neuen Funktion müssen Hersteller und Zulieferer koordiniert zusammenarbeiten, sodass der Zulieferer sein Produkt an die neue Funktion anpassen kann. Ebenso müssen technologische Fortschritte, beispielsweise im Bereich der Sensorik oder Prozessoren, frühzeitig an die Automobilhersteller weitergegeben werden, damit die neuesten Funktionen Einsatz finden können.

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Agiles Vorgehen: Hoher Abstimmungsbedarf zwischen den Disziplinen

Doch nicht nur in den Schnittstellen der Einzelkomponenten und -systemen stellen sich in der agilen Produktentwicklung viele Herausforderungen. Auch ein hoher Abstimmungsbedarf zwischen den Disziplinen – wie Elektrik/Elektronik, Mechanik und Software – kommt zum Tragen. Insbesondere dann, wenn es zur Integra­tion der disziplinspezifischen Komponenten in das System kommt. Auch das Änderungsmanagement gilt es zu berücksichtigen. Im Entwicklungskontext sind Änderungen die Regel und müssen bis zu einem gewissen Maß zugelassen werden. Andernfalls verursachen sie im späteren Entwicklungsprozess hohe Kosten und mangelnde Termintreue. Außerdem ist eine Systementwicklung mit ständigen Änderungen kaum möglich. Agiles Systems Engineering trägt trotz kurzfristiger Veränderungen zu einer schnelleren Reaktion bei, da mögliche Störungsfaktoren antizipiert werden.

Dank der Einbettung agiler Ansätze in die Systems-Engineering-Prozesse wird die Zieldefinition des magischen Dreiecks – bestehend aus Qualität, Zeit und Kosten – im Projektmanagement positiv beeinflusst, was neben einem hochwertigeren und effizienter angefertigten Produkt auch zu einer besseren Erfüllung der Kundenanforderungen und somit zu einer gesteigerten Kundenzufriedenheit führt.

Letztlich führt der agile Systems-Engineering-Ansatz aber nur bei sinnvollem Einsatz zum Erfolg – Eignungsfaktoren wie Systemkritikalität, Systemart und Wirtschaftlichkeit gilt es zu beachten. Die Expertinnen und Experten beim Engineering- und Technologieunternehmen Invenio sind auf das Thema ‚Digitalisierung des Anforderungsmanagements mit den Bausteinen Requirements Engineering (RE) und MBSE‘ spezialisiert und unterstützen ihre Kunden gerne aus der Praxis für die Praxis. Die Consultants kommen direkt aus der Produktentwicklung, kennen die Probleme des Alltags und schlagen praxisnahe Lösungen vor.

Ob als Berater und Coaches oder als aktive Mitarbeitende im Kundenprojekt – es werden stets die Tools, Methoden und Vorkenntnisse des Kunden berücksichtigt. ‚One size fits it all‘ gilt bei Invenio nicht, stattdessen setzt das Unternehmen auf die Zukunft des Systems Engineerings und beteiligt sich aktiv in der Gesellschaft für Systems Engineering (GfSE).

Der Autor Aymane Mesmouki ist Junior Consultant Systems Engineering bei Invenio.

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