Industrial Automation: Das sagen die Experten zur Zusammenarbeit von Mensch und Maschine

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 4 min Lesedauer

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Ob Fertigung und Montage oder Materialhandling und Logistik: Die Automatisierung erfasst branchenübergreifend immer mehr Prozesse und Unternehmensbereiche und verändert sie von Grund auf.

(Quelle: Heukabel)

Welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt und mit welchen Trends und Entwicklungen hinsichtlich Industrial Automation in Zukunft noch zu rechnen ist, darüber haben mehrere Experten auf Einladung des Spezialisten für elektrische Verbindungstechnik Helukabel ausführlich diskutiert.

Industrial Automation: Darum geht es!

Der Begriff „Industrieautomation“ ist sehr breit gefächert und umfasst viele Teildisziplinen. Was ist Ihre Definition von Industrieautomation?

Martin Schleef: Das Paradebeispiel ist eine Maschine oder verkettete Anlage, die spezielle Aufgaben mit einer hohen Taktzahl ausführt. Die Industrieautomation beschäftigt sich einfach gesagt damit, wie man solche Anlagen steuert, in Gang setzt, in der Produktion hält und kontinuierlich verbessert.

Matthias Eick: Aus meiner Sicht sind das Ziel der Industrieautomation autonome Prozesse mit hoher Wiederholgenauigkeit, in die der Mensch nicht mehr eingreifen muss. Das findet längst nicht mehr nur in der Fabrikhalle statt: Auch viele andere Bereiche profitieren von den Entwicklungen der Automatisierung. Es gibt immer mehr technische Hilfsmittel, und die werden immer kleiner, leistungsfähiger und anwenderfreundlicher.

Steffen Quadt: Mittlerweile beschränkt sich ja auch der Begriff Industrie nicht mehr allein auf die fertigende Industrie. Auch die Landwirtschaft ist zum Beispiel eine Art von Industrie. Meiner Meinung nach dient die Industrieautomation in erster Linie dazu, die Produktivität zu erhöhen. Das kann über Technologien passieren, aber auch über neue Methoden und Herangehensweisen.

Frank Sangel: Neben der Produktivität geht es in der Automation aber auch darum, dem Menschen monotone und mühsame Arbeiten abzunehmen – und darum, die Prozesssicherheit zu erhöhen.

Matthias Eick
Matthias Eick
(Quelle: Helukabel)
Steffen Quadt
Steffen Quadt
(Quelle: SEW-Eurodrive)
Jürgen Berger
Jürgen Berger
(Quelle: Helukabel)

Die Risiken und Potenziale

Industrie 4.0, IIoT und Big Data: Die Industrieautomation wird immer mehr auch zum IT-Thema. Welche Potenziale und welche Risiken sehen Sie darin?

Schleef: Ein Problem ist aktuell noch, dass wir zwar viele Daten sammeln, sie aber nicht nutzen. Hierbei spielt auch die Frage eine Rolle: Wem gehören eigentlich die Produktionsdaten? Dem Produktionsunternehmen oder dem Maschinenhersteller? Daten zu teilen bedeutet eben auch, sensible Informationen von sich preiszugeben – und da herrscht in vielen Unternehmen große Skepsis.

Jürgen Berger: Zudem sind gerade kleine und mittelständische Unternehmen in Sachen IT oft nicht gut genug aufgestellt. Der Einzug neuer Technologien ermöglicht auch einen Zugriff von außen, gegen den sich Unternehmen schützen müssen. Viele haben Bedenken, sich angreifbar zu machen, wenn sie diesen Schritt gehen – zum Beispiel durch Cyber-Attacken, die die Produktion lahmlegen. Da geht es nicht um einzelne Prozesse, sondern um die grundsätzliche Bereitschaft, sich diesem Risiko auszusetzen.

Quadt: Aber wer es schafft, Cybersicherheit zu gewährleisten, dem eröffnen sich durch Digitalisierung und Vernetzung enorme Möglichkeiten, von denen wir viele heute noch gar nicht begreifen. Zusammenhänge, die wir noch nicht erkennen, weil sie so komplex sind. Fortschrittliche Algorithmik und maschinelles Lernen ermöglichen es uns aber, diese Komplexität immer besser zu verstehen und Muster zu erkennen, die bisher unbekannt waren.

(Frank Sangel ist Gründer und Geschäftsführer der Sangel Systemtechnik GmbH.)

Industrial Automation für KMU?

Automatisierung war lange Zeit nur für Großunternehmen ein Thema. Wie lässt sich die Automation auch für kleine und mittelständische Unternehmen attraktiv machen?

Quadt: Die erste Hürde sind für viele Unternehmen die hohen Kosten, die zu Beginn mit der Automatisierung verbunden sind. Damit sich diese schnell amortisieren, wünschen sich Anwender eine möglichst hohe Auslastung ihrer Maschinen. Dabei kann jedoch eine Maschine, die flexibel verschiedene Arbeiten ausführen kann, sinnvoller sein als eine Maschine, die konsequent nur für eine Aufgabe optimiert ist und diese zwar schneller erledigen kann, aber dafür nichts anderes.

Schleef: Das ist absolut richtig. Selbst große Hersteller, etwa in der Automobilindustrie, setzen statt einer hochspezialisierten Linienfertigung immer häufiger auf neue Konzepte. Eines davon ist die sogenannte Matrix-Produktion, bei der ein Produkt flexibel verschiedene Wege zwischen den Fertigungsabschnitten nehmen kann – dadurch kann Variantenvielfalt besser abgebildet werden. Dieser Ansatz ist auch für kleine und mittelständische Unternehmen interessant, die weniger große Stückzahlen fertigen.

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Eick: Kleine und mittelständische Unternehmen müssen ja auch nicht ihre gesamte Produktion auf einmal umstellen, sondern können mit solchen Insellösungen anfangen, zum Beispiel mit dezentraler Antriebstechnik oder dem Umrüsten von einzelnen Anlagen und Komponenten. Das gibt ihnen die Möglichkeit, in das Thema Automatisierung hineinzuwachsen.

(Martin Schleef ist Geschäftsfeldleiter Maschinen- und Anlagenbau am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA.)

Viele Bereiche in der Industrie sind bereits vollständig automatisiert. Wo sehen Sie noch Potenzial für die Industrial Automation, und welche Anwendungen können Sie sich in naher Zukunft vorstellen?

Schleef: Montagetätigkeiten, bei denen bislang viele Handgriffe notwendig waren, bieten noch viel Potenzial für Automatisierung; etwa durch den Einsatz von Cobots. Handwerkliche Tätigkeiten werden ebenfalls massiv automatisiert, zum Beispiel in der Baubranche. Ein weiterer Trend sind digitale Hilfsmittel wie die Datenbrille oder die Hololens, mit denen Mitarbeiter unter anderem bei der Inbetriebnahme oder Wartungstätigkeiten aus der Ferne mit Informationen oder Anleitungen unterstützt werden können.

Quadt: In jedem Fall werden Mensch und Maschine näher zusammenrücken und stärker vernetzt. Viele Tätigkeiten können dadurch schneller, effektiver und fehlerärmer ausgeführt werden. Ein virtuelles Design, etwa von Maschinen und Anlagen, gibt es ja bereits – aber in Zukunft kann auch deren Inbetriebnahme virtuell stattfinden. So lassen sich Optimierungspotenziale entdecken, noch bevor die Anlage überhaupt physisch gebaut wurde. Ich bin überzeugt: Die Entwicklung der industriellen Automation ist noch lange nicht abgeschlossen.

Matthias Reiser ist Referent Unternehmenskommunikation bei der Helukabel GmbH.

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