Industrial Metaverse: Arbeiten in der virtuellen Welt

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 4 min Lesedauer

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Tech-Konzerne basteln emsig an virtuellen 3D-Welten, in der Menschen in Zukunft einen Teil ihrer Zeit verbringen sollen. Das so genannte Metaverse verspricht aber nicht nur Verbrauchern immersive Erfahrungen. Auch Unternehmen können von den Möglichkeiten des industriellen Metaverse profitieren.

(Quelle: Monster Ztudio/AdobeStock)

Die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, verändert sich kontinuierlich. Manche Erfindungen sind allerdings fundamentaler als andere. Das Industrial Metaverse gehört dazu. Gemeint ist damit eine vollständig virtualisierte und abstrahierte Umgebung, in der Menschen und Maschinen durch Avatare und Grafiken repräsentiert werden.

VR im Industrial Metaverse

Ermöglicht wird dies zum einen durch die Weiterentwicklungen von Augmented- und Virtual-Reality-Headsets und -Brillen (AR/VR). Diese überzeugen inzwischen mit einer hohen Auflösung und Performance sowie einem guten Tragegefühl. Zum anderen sorgen die deutlichen Fortschritte im Bereich künstliche Intelligenz in Verbindung mit dem Potenzial von Cloudrechenleistung und -verarbeitung dafür, dass wir bald Welten kreieren können, die so kreativ oder spezifisch sind, wie wir es uns vorstellen können. Die Folgen für die Zukunft der Arbeit werden an den Schreibtischen, in den Fabriken und im Außendienst zu spüren sein.

Jenseits von Videospielen

Um die Chancen des industriellen Metaverse zu realisieren, müssen sich Unternehmensverantwortliche zunächst von der noch immer weitverbreiteten Vorstellung verabschieden, dass AR und VR reine Gaming-Themen sind. Tatsächlich können die Technologien der Fertigungsindustrie in verschiedenen Bereichen Vorteile bringen. So lassen sich unterschiedliche Geschäftseinheiten, etwa Supply Chain, Procurement, Sales und After-Sales, stärker miteinander verbinden und der gesamte Prozess, den die Produkte eines Unternehmens durchlaufen – angefangen bei der Beschaffung des benötigten Materials bis zum Verkauf an den Endkunden im Laden und Onlineshop –, virtuell darstellen.

Darüber hinaus bieten sogenannte digitale Zwillinge großes Potenzial: Zum Beispiel die virtuelle Abbildung von Maschinen und Anlagen. Im Zeitalter von Industrie 4.0 sammeln Hersteller immer mehr Daten und nutzen diese, um ihre Produktion bestmöglich zu steuern. Digitale Zwillinge sind dafür unerlässlich, weil sich an diesen der gesamte Prozess modellieren und verändern lässt. Dadurch lernen die Verantwortlichen, an welchen Stellschrauben sie drehen müssen, um eine reibungslose und effiziente Produktion in der Realität zu ermöglichen.

Zum Industrial Metaverse gehören zudem Predictive Analytics und Predictive Maintenance. Die Analyse Hunderter oder Tausender Datenpunkte ermöglicht es Unternehmen, den Zustand und möglichen Verschleiß ihrer Maschinen und Anlagen genau im Blick zu behalten und gegenzusteuern, bevor eine Störung die gesamte Produktion unterbricht. Dadurch kann sich der Maintenance Manager um die tatsächliche Wartung der Produktionsumgebung kümmern, statt Zeit damit zu verbringen, Geräte, Maschinen, Systeme und Arbeitsabläufe kontinuierlich auf potenzielle Probleme hin zu überprüfen. Diese Aufgabe übernimmt die Technologie.

(Im Display der AR-Brille werden Informationen und nächste Schritte angezeigt. Bild: Blue Planet Studio/AdobeStock)

Training in der virtuellen Welt

Dank dem industriellen Metaverse und den zugrundeliegenden Technologien lässt sich aber nicht nur die betriebliche Effizienz verbessern. Es kann auch sehr nützlich für Schulungs- und Trainingszwecke sein, wobei Berufsstarter und Berufserfahrene gleichermaßen profitieren.

So kann das Anlernen an den Maschinen zunächst bei digitalen Versionen derselben erfolgen. Mitarbeitende üben erforderliche Handgriffe so lange, bis sie fehlerfrei gelingen. Dabei können im Display der AR-Brille oder des VR-Headsets nützliche Informationen oder schon die nächsten Schritte angezeigt werden. Das kann dabei helfen, den jeweiligen Prozess ganzheitlich zu vermitteln. Zudem kann die Funktionsweise von Anlagen in der virtuellen Welt sehr viel plastischer dargestellt werden, zum Beispiel durch einen Perspektivwechsel oder die Zerlegung von Maschinen in ihre Einzelteile. Da sich Produktionsumgebungen auch immer mal ändern, beispielsweise weil neue Produkte gefertigt werden sollen oder alte Maschinen durch modernere ersetzt werden, kann es auch für erfahrene Mitarbeiter hilfreich sein, die Funktionsweise und Handhabung anhand digitaler Maschinen zu üben.

Und auch im universitären Kontext kann das industrielle Metaverse zum Einsatz kommen. Da Unternehmen sich auch von Bewerbern, die frisch von der Universität kommen, bereits erste praktische Erfahrungen wünschen, sollten Universitäten überlegen, ihnen diese mithilfe von virtuellen Fabriken und Anlagen zu vermitteln. Womöglich bietet sich hierfür die Zusammenarbeit mit Fertigungsunternehmen an, die bereits digitale Zwillinge ihrer Maschinen erstellt haben. Für die Unternehmen kann dies eine Win-Win-Situation sein, da sie Zugang zu potenziellen Bewerbern erhalten und diese bereits die erforderlichen Fähigkeiten mitbringen.

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Bedeutet das Industrial Metaverse eine Produktion ohne Menschen?

Spinnt man die Überlegungen zum industriellen Metaverse und der Digitalisierung weiter, gelangt man an den Punkt, an dem Produkte ohne menschliches Zutun hergestellt, geliefert, gekauft und verkauft werden. Die gesamte Lieferkette würde einzig anhand der Analyse von Nutzer- und Unternehmensdaten und -präferenzen gesteuert werden. Dies würde für ein hohes Maß an Konstanz und Konsistenz auf der Angebotsebene sorgen. Allerdings ist zweifelhaft, ob diese leicht dystopische Zukunftsvision unserem Drang nach Veränderungen, Unterschieden und Vielfalt gerecht werden kann. Dennoch sollten Unternehmensverantwortliche sich nicht damit zufriedengeben, stellenweise Technologien des industriellen Metaverse zu implementieren, sondern stetig überlegen, wie sie die Produktion weiter optimieren können.

Der Autor Alessandro Chimera ist Director of Digitalization Strategy bei TIBCO.

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