Lifecycle Assessment: Nachhaltigkeit beginnt beim Produktdesign

Verantwortlicher Redakteur:in: Rainer Trummer 4 min Lesedauer

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In der Produktentwicklung sind nicht mehr nur die Kosten, die Time-to-Market und die Qualität relevant. Industriedesigner müssen auch den Faktor Nachhaltigkeit ab der ersten Phase des Produktlebenszyklus berücksichtigen. Nur so lässt sich die Umweltbelastung entlang der gesamten Wertschöpfungskette frühzeitig und langfristig minimieren.

(Quelle: liliya/AdobeStock)

Lifecycle Assessment in der Praxis: Der EU Design Council geht davon aus, dass bereits in der Designphase eines Produkts 80 Prozent der Nachhaltigkeit definiert werden. Die Herausforderung für die Unternehmen besteht also darin, Ökodesign-Grundsätze in die vorgelagerten Überlegungen zu ihren künftigen Produkten und Prozessen einzubinden, bevor es in der realen Welt zu Umweltauswirkungen kommt. Doch wie lassen sich Daten, die Auswirkungen auf den CO2-Fußabdruck eines Produktes haben, in der Designphase aber noch nicht real verfügbar sind, erfassen und berücksichtigen?

Statische Daten einbeziehen

Um den ökologischen Fußabdruck eines Produkts zu minimieren, müssen Produktingenieure und industrielle Designer in der frühen Produktphase eine Lebenszyklus-Analyse durchführen. Nur mit der Auswahl und Analyse der wichtigsten Indikatoren für Umweltauswirkungen sind Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Umwelt zu verstehen. Dazu ist es notwendig, statische Daten einzubeziehen, die erst in der späteren Produktphase durch dynamische, also reale Daten ersetzt werden können. Diese statischen Daten können entweder aus zentralen Materialdatenbanken wie Ecoinvent (Anbieter von Sachbilanzdaten mit mehr als 18.000 Datensätzen zu menschlichen Aktivitäten und industriellen Prozessen in verschiedenen Sektoren) abgerufen werden oder auf Annahmen basieren.

Zur Bewertung der Produktziele kommen neben den KPIs zu Qualität und Preis weitere hinzu, die die Nachhaltigkeitsziele festlegen und bewerten. Der Reifegrad dieser Nachhaltigkeits-KPIs entwickelt sich jedoch erst im Laufe des Produktlebenszyklus. Die Berechnung der Nachhaltigkeit ist also immer eine Mischung aus genauen Zahlen und Annahmen, bietet jedoch die Möglichkeit, die Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus zu bewerten.

Um den CO2-Fußabdruck ab der ersten Designphase zu berücksichtigen, ist es notwendig, statische Daten einzubinden.
Um den CO2-Fußabdruck ab der ersten Designphase zu berücksichtigen, ist es notwendig, statische Daten einzubinden.
(Quelle: Transition Technologies PSC Germany GmbH)

Lifecycle Assessment: Entwicklungsprozess nicht überfrachten

Um die Nachhaltigkeit entwicklungsbegleitend zu berücksichtigen, benötigt man ein Framework, welches die Verknüpfung der statischen und dynamischen Parameter aus allen Bereichen mit dem Produkt bereits beginnend mit der Konzeptphase ermöglicht. Gleichzeitig sollten aber die Nachhaltigkeitsberechnungen den Entwicklungsprozess nicht überfrachten und die Entwicklungseffizienz mindern, wie dies bei den üblichen Methoden des LCA (Lifecycle Assessment) der Fall ist.

Als Grundlage, um die Nachhaltigkeit frühzeitig im Entwicklungsprozess zu berücksichtigen, bietet sich deshalb das Aktivitätsmodell an. Dabei werden alle nachhaltigkeitsbeeinflussenden Schritte, welche ein Produkt mit seinen Komponenten durchläuft, gegliedert und auf Basis statischer oder dynamischer Berechnungen erfasst und mit der Bill of Materials (BOM) verknüpft. So lassen sich beispielsweise angenommene Zulieferwege oder auch Lackierflächen strukturiert erfassen. Die begleitende Fortschreibung der Nachhaltigkeit hat damit nur geringen Einfluss auf die Kernaufgaben der Produktentwicklung. Sie lässt sich als „LCA-light“ Ansatz bezeichnen.

Auswirkungen frühzeitig einschätzen

Mit den getroffenen Annahmen über das Aktivitätsmodell lassen sich frühzeitig Auswirkungen auf Änderungen abschätzen, die dann mit fortschreitendem Produktlebenszyklus den Reifegrad erhöhen. Künftig ist damit auch die notwendige Datenbasis gegeben, um mittels Machine Learning die Nachhaltigkeit des Produktes bereits in der Anforderungsphase zu optimieren. Das „Deuten der Kristallkugel“ wandelt sich in eine erfahrungsbasierte ganzheitliche Abschätzung.

Zur Integration der Nachhaltigkeitsparameter mit der Produktstruktur in allen Phasen des Lifecycle Assessment wird eine „Footprint-Toolbox“ implementiert. Sie ist eine skalierbare Umgebung, mit der sich sowohl die Aktivitäten als auch die Datenquellen sowie die spezifischen Parameter, wie CO2 oder Wasserverbrauch spezifisch konfigurieren und auf produkt- und branchenspezifische Bedarfe anpassen lassen.

Mit der durchgängigen Verwendung der Toolbox ist die Transparenz von Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit mit der frühen Phase des Produktlebens gegeben. Die dabei entstehende Datenbasis ist bei entsprechendem Reifegrad auch gleichzeitig Grundlage für spätere Auditierungs- oder Zertifizierungsanforderungen.

Mit der Lifecycle Assessment (LCA) Methode werden die Umweltauswirkungen eines Produkts während seines gesamten Lebenszyklus bewertet.
Mit der Lifecycle Assessment (LCA) Methode werden die Umweltauswirkungen eines Produkts während seines gesamten Lebenszyklus bewertet.
(Quelle: Transition Technologies PSC Germany GmbH)

Single Point of Truth

Nachhaltigkeit ist überall und erstreckt sich über den gesamten Produktlebenszyklus - von der Idee bis zur Entsorgung. Damit verwandelt die Nachhaltigkeit den Produktlebenszyklus von einer geraden Linie in einen Kreis. Entscheidend für den Nachweis der Nachhaltigkeit von Produkten ist deshalb eine durchgängige Transparenz und Verfügbarkeit der Daten über den gesamten Produktlebenszyklus. Grundlage dafür ist ein PLM-System sowie die Zusammenführung aller weiteren Systemen wie MES, ERP, CAD, die alle relevanten Daten für das Produkt von seiner Entstehung bis zur Entsorgung liefern, auf einer IoT-Plattform. Der darauf aufbauende Digital Thread ist der Single Point of Truth für Nachhaltigkeitsinformationen, die eine nachhaltige Produktentwicklung über alle digitalen Kanäle hinweg ermöglicht.

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Aspekte der Kreislauffähigkeit von Produkten werden dadurch berücksichtigt und die Umweltauswirkungen von Produkten während ihres gesamten Lebenszyklus nachvollziehbar. Verbesserungen des Produktdesigns und der Entwicklungsprozesse unter Berücksichtigung von Umweltfaktoren sowie schnelle Anpassungen an die grünen Bedürfnisse des Kunden sind möglich.

Lifecycle Assessment: Datenbasierte Entscheidungen treffen

Unternehmen benötigen eine nachhaltige Produktentwicklung, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu ist es notwendig, nachhaltigkeitskritische KPIs zu implementieren und für Compliance-Audits nutzbar zu machen. Der LCA light Ansatz (Lifecycle Assessment) in Verbindung mit PLM-Tools und IoT bietet dafür eine Basis, die auf ein umfassendes Nachhaltigkeitsmanagement ausgeweitet werden kann und als Grundlage für Compliance-Vorschriften geeignet ist. Mit der gewonnenen Transparenz können Unternehmen datenbasierte Entscheidungen treffen.

Der Autor Dr. Erik Rieger ist Principal Business Analyst und Evangelist PLM bei der Transition Technologies PSC
Germany GmbH
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